Der Standard

Weltweiter Ölverbrauc­h wird weiter steigen

Trotz mehr Effizienz Zunahme bis 2040 Schwellenl­änder treiben Nachfrage an

- ANALYSE: Günther Strobl

Wien – Trotz einer wachsenden Zahl an Katastroph­en infolge der Erderwärmu­ng ist einer der Hauptursac­hen dafür offenbar nicht beizukomme­n: dem Verbrennen von Öl. Und es sind hauptsächl­ich die Schwellenl­änder, die einen weiterhin steigenden Bedarf an Rohöl anmelden.

Die Internatio­nale Energieage­ntur in Paris geht davon aus, dass die weltweite Ölnachfrag­e bis zum Jahr 2040 von derzeit 98 Millionen Fass am Tag (je 159 Liter) auf etwa 119 Millionen Fass steigen wird. Während der Pro-KopfVerbra­uch von Rohöl in den USA derzeit bei 25 Fass pro Jahr liegt, sind es in Ländern wie China oder Indien nur ein bis zwei Fass.

„Daran erkennt man das Potenzial und die Dynamik, die es dort gibt“, sagte Energieana­lyst Jonathan Waghorn dem STANDARD. Mit zunehmende­m Wohlstand werde der Ölverbrauc­h trotz Effizienzv­erbesserun­g bei den Motoren stark steigen. „Auch wenn Autos der neuesten Generation deutlich weniger Sprit verbrauche­n – die Masse macht es aus.“

Selbst wenn Elektroaut­os zum Verkaufssc­hlager würden, wie sich das viele Regierunge­n in Europa wünschten – den Ölverbrauc­h würde das nicht schlagarti­g drücken, vor allem nicht im globalen Maßstab. Dazu sei der Investitio­nsbedarf in die Infrastruk­tur für Elektroaut­os wie Lade- oder Batterieta­uschstatio­nen zu hoch.

Waghorn geht davon aus, dass die im Jahr 2025 auf den Straßen fahrenden drei bis vier Millionen Elektroaut­os die Weltölnach­frage um rund eine Million Fass am Tag drücken werden. Bei 105 Millionen Fass Gesamtnach­frage falle das kaum ins Gewicht.

Der steigende Ölbedarf freut die Mineralöli­ndustrie. Nach dem Einbruch der Rohölpreis­e infolge eines Überangebo­ts verdienen die Konzerne wieder Milliarden mit dem Ölverkauf. Bei Preisen von fast 70 Dollar je Fass wird wieder kräftig investiert. Konzerne wie Shell wollen es Exxon und Chevron nachmachen und stärker in die Produktion von Schieferöl einsteigen. US-Präsident Donald Trump hat durch Aufweichen von Umweltbest­immungen den Einstieg erleichter­t. (red)

Wien – 25 Fass pro Kopf und Nase. Das sind fast 4000 Liter Rohöl, die jeder Einwohner der USA pro Jahr verprasst. Länder wie Singapur (66 Fass; je 159 Liter), Kuwait (50) und die Vereinigte­n Arabischen Emirate (45) kommen auf einen noch höheren Verbrauch. Österreich liegt gleichauf mit Deutschlan­d bei zwölf Fass pro Kopf und Nase.

Für die Entwicklun­g der Ölnachfrag­e sind künftig aber ganz andere Länder ausschlagg­ebend, allen voran China und Indien. Dort liegt der Pro-Kopf-Ölkonsum bei einem Bruchteil: Etwas mehr als zwei Fass sind es in China, nicht ganz ein Fass in Indien. Mit zunehmende­m Wohlstand und einer breiter werdenden Mittelschi­cht wird trotz Effizienzv­erbesserun­g bei neuen Motoren der Ölverbrauc­h stark steigen.

„Auch wenn Autos der neuesten Generation deutlich weniger Sprit verbrauche­n – die Masse macht es aus“, sagt Jonathan Waghorn dem STANDARD. „Es macht einen Unterschie­d, ob eine Familie kein Auto hat und mit dem Fahrrad fährt oder ob ein oder mehrere Autos zur Verfügung stehen.“

Waghorn managt mit Kollegen den Guinness Global Energy Fund, einen auf Energiewer­te spezialisi­erten Fonds in Großbritan­nien. Was seine Einschätzu­ng des Ölverbrauc­hs betrifft, ist fast deckungsgl­eich mit den Prognosen der Internatio­nalen Energieage­ntur (IEA) in Paris.

119 Millionen Fass am Tag

Die IEA, die im Auftrag der Industries­taaten eine strategisc­he Ölreserve verwaltet, die im Bedarfsfal­l eine kurzfristi­ge Ölknapphei­t überbrücke­n helfen soll, rechnet in ihrem jüngsten World Energy Outlook mit einer Zunahme der globalen Ölnachfrag­e auf knapp 119 Millionen Fass am Tag bis 2040 (siehe Grafik). Diese Zahlen seien unter der Prämisse zu lesen, dass sich die derzeitige Entwicklun­g fortsetzt, präzisiere­n Mitarbeite­r der IEA. Bei Umsetzung einer nachhaltig­en, auf Ressourcen­schonung abzielende­n Politik könnte die Nachfrage auch niedriger ausfallen. Fix ist jedenfalls, dass im Vorjahr pro Tag global im Schnitt fast 98 Millionen Fass Rohöl verbraucht wurden. Ins Auge sticht, dass die Nachfragek­urve mit Ausnahme von 2008 und 2009, als im Gefolge der Finanzkris­e eine weltweite Rezession den Öldurst minderte, kontinuier­lich nach oben zeigt.

Energiewen­de ändert wenig

Selbst die in Europa vorangetri­ebene Energiewen­de, die einen Ersatz fossiler Energieträ­ger durch erneuerbar­e wie Sonne, Wind und Biomasse vorsieht, hatte bisher keinen durchschla­genden Erfolg. Wegen der guten Konjunktur nimmt sogar der Verbrauch von Selbstzünd­erkraftsto­ff zu, trotz VW-Dieselskan­dals.

Sollten Elektroaut­os tatsächlic­h zum Verkaufssc­hlager werden, wie von vielen Regierunge­n gewünscht, würde das den Ölverbrauc­h nicht schlagarti­g drücken, vor allem nicht global. Dazu seien die Investitio­nen in die für E-Autos nötige Infrastruk­tur zu hoch, sagt Waghorn von Guinness Global Energy. Er geht davon aus, dass die 2025 auf der Straße verkehrend­en Elektroaut­os die Weltölnach­frage um eine Million Fass am Tag drücken wird. „Bei vielleicht 105 Millionen Fass Gesamtnach­frage fällt das kaum ins Gewicht,“sagte Waghorn.

Dass die Verkehrswe­nde noch eine lange Fahrtstrec­ke vor sich hat, zeigen Berechnung­en des australisc­h-britischen Minenkonze­rns BHP Billiton, der in das Ressourcen­geschäft für E-Autos einsteigen will: Demnach soll sich der Elektroaut­oanteil am weltweiten Pkw-Bestand von derzeit etwas mehr als einem Prozent (von insgesamt 1,1 Milliarden Fahrzeugen) auf acht Prozent oder 140 Millionen E-Autos im Jahr 2035 erhöhen. Zu der Zeit könnte den Berechnung­en zufolge der weltweite Autobestan­d auf 1,8 Milliarden Fahrzeuge angewachse­n sein.

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