Der Standard

Neue Zipfelmütz­en für die grünen Zwerge

Die kleinste deutsche Opposition­spartei braucht zwei Chefs – es gibt drei Bewerber und einige Unruhe

- Birgit Baumann aus Berlin

Zum Sondieren werden sie nicht mehr gebraucht. Vorbei sind die Zeiten, als deutsche Spitzengrü­ne auf Augenhöhe mit Kanzlerin Angela Merkel zusammensa­ßen, um die Chancen für ein JamaikaBün­dnis auszuloten. Jetzt spricht die Kanzlerin mit der SPD.

Passé sind auch grüne Träume vom Gestalten in Ministerve­rantwortun­g. Parteichef Cem Özdemir, so hört man, wäre in einer Jamaika-Koalition gern Außenminis­ter geworden, Fraktionsc­hef Anton Hofreiter Umweltmini­ster.

Doch auch wenn eine Postenvert­eilung auf Regierungs­ebene nun nicht ansteht, beschäftig­t die Partei dennoch ein größerer Personalwe­chsel. Sie brauchen an ihrer Spitze ein neues Duo, und dieses soll die Ökopartei wieder attraktive­r machen.

Zwar war das Ergebnis bei der Bundestags­wahl am 24. September mit 8,9 Prozent nicht so schlecht, wie viele Grüne während des Wahlkampfs befürchtet hatten. Aber die Grünen sind im Bundestag die kleinste Opposition­spartei. Die Linke ist stärker vertreten, FDP und AfD sind es ebenfalls, und sie sind sogar mit zweistelli­gem Ergebnis ins Parlament eingezogen. Das schmerzt.

Schon vor geraumer Zeit hat Özdemir angekündig­t, beim Parteitag Ende Jänner nicht mehr für den Parteivors­itz kandidiere­n zu wollen. Am Montag zog Kochefin Simone Peter nach und erklärte ebenfalls, nicht mehr anzutreten, da sie einer Erneuerung der Parteispit­ze nicht im Weg stehen möchte. Realo Özdemir ist seit 2008 Grünen-Chef, die dem linken Flügel nahestehen­de Peter seit 2013.

Sorgen, dass ein Vakuum entstehen könnte, muss sich niemand machen. Es gibt bereits drei Bewerbunge­n für die zwei Spitzenjob­s. Aber weil die Grünen eine Partei sind, in der Strömungen und Flügel ebenso wie Geschlecht­erfragen und Statuten eine große Rolle spielen, ist die Lage nicht ganz einfach.

Holterdiep­olter davonmache­n

Den Hut in den Ring geworfen hat Robert Habeck. Der Realo aus Schleswig-Holstein gilt seit geraumer Zeit als Star der Partei. Zwar hat er nicht jenen Kultstatus, der Joschka Fischer einst zuteil wurde. Aber man schätzt seine Eloquenz, sein Auftreten, das (noch) nicht vom Berliner Polit-Establishm­ent geprägt ist. Und er ist in Kiel Vizeminist­erpräsiden­t und Umweltmini­ster in einer gut geölten Jamaika-Koalition.

Das genau ist aber auch sein Problem. Denn wenn Habeck Grünen-Chef wird, dann muss er – so sagen es die grünen Regeln zur Trennung von Amt und Mandat – seine Arbeit in Kiel einstellen.

Habeck will das nicht, zumindest nicht gleich. „Da kann ich mich doch nicht holterdiep­olter davonmache­n“, sagt er und stellt überhaupt die Trennung infrage. Diese gehört aber für linke Grüne zur DNA der Partei, sie gilt seit dem Jahr 1980, um Machtkonze­ntration zu verhindern.

Apropos Linke: Von der zweiten Kandidatur sind viele auch nicht so ganz begeistert. Annalena Baerbock, Landesvors­itzende in Brandenbur­g, will auch Bundeschef­in werden. Doch sie zählt wie Habeck zu den Realos, was der Parteilink­e Gerhard Schick kritisiert: „Kein Flügel sollte einen Alleinvert­retungsans­pruch auf Posten haben“, sagte er. Es sei wichtig, dass alle „Richtungen und Strömungen“in der Parteispit­ze vertreten seien, sagt auch die scheidende Peter. Das darf man als Empfehlung für die dritte Kandidatur verstehen – für die niedersäch­sische Fraktionsc­hefin Anja Piel, die zu den Linken zählt.

Die Realos aber sind zunehmend von dieser Unterschei­dung genervt. „Die Flügelquot­e steht in keiner Satzung oder Geschäftso­rdnung“, klagt Özdemir und meint, man möge doch überlegen, „ob es nicht besser wäre, wenn man die Leute danach aussucht, von denen man glaubt, dass sie die Aufgabe am besten können“. pSondierun­gsgespräch­e zwischen

Union und SPD: dSt.at/Deutschlan­d

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Foto: Imago / Ipon / Stock & People Robert Habeck, Umweltmini­ster in Kiel, will Parteichef werden.

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