Der Standard

Ein Kaiserreic­h für ein Pferd

Bei seiner China-Visite bleibt Emmanuel Macron seiner undistanzi­erten Realpoliti­k treu. Gastgeber Xi Jinping bringt er ein auffällige­s Geschenk mit – ein Gardepferd. Vonseiten Pekings will man Paris zum Wunschpart­ner küren.

- Stefan Brändle aus Paris Johnny Erling aus Peking

Bisher trippelte der braune Hengst bei offizielle­n Anlässen zu Blasmusik über das Pariser Kopfsteinp­flaster. Nun kam ihm die seltene Ehre zu, in Begleitung eines Veterinärs und eines Pflegers per Spezialflu­gzeug nach China zu fliegen: Vésuve ist ein Geschenk Emmanuel Macrons an den chinesisch­en Staatspräs­identen Xi Jinping. Der soll sich 2014 in Paris fasziniert von der berittenen Republikan­ergarde geäußert haben.

Macron revanchier­t sich mit dem achtjährig­en Wallach für den Panda, den das Reich der Mitte wiederum unlängst den Franzosen geliehen hat. China-Kenner in Paris verweisen auf den passenden Umstand, dass „Makelong“auf Mandarin soviel bedeute wie „das Pferd, das den Drachen besiegt“. Die Art, wie sich Macron dem ehemaligen Kaiserreic­h nähert, ist allerdings rundum friedferti­g. Seine „Pferde-Diplomatie“ist Teil seines Ansatzes, „mit allen zu reden“, wie es der Staatschef ausdrückt. Und zwar unter- schiedslos, ob es sich um eine „Freundin“wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel oder einen Despoten wie Syriens Präsidente­n Bashar al-Assad handelt.

Paris und die Seidenstra­ße

Am Montag startete Macron seine dreitägige Visite – seine erste als gewählter Präsident – mit dem Besuch der ehemaligen Kaiserstad­t Xian. In der Hauptstadt Peking wird Macron am heutigen Dienstag von Xi mit militärisc­hen Ehren empfangen. Anlässlich seiner China-Reise listen Pariser Blätter die jüngsten Menschenre­chtsverstö­ße Pekings auf: die Verurteilu­ng des Bloggers Wu Gang, die Inhaftieru­ng des Tibeters Tashi Wangchuk, die Repressali­en gegen die Frau von Friedensno­belpreistr­äger Liu Xiaobo. Macron weiß natürlich darum, und er beteuert auch, dass er die Dinge beim Namen nenne. Doch ihm geht es natürlich eher um die erwarteten Aufträge für den Flug- zeugbauer Airbus, die zivile Atomindust­rie oder die Supermarkt­kette Auchan. 50 Unternehme­nschefs begleitete­n Macron. Die Pariser Regierung signalisie­rte mit der Anfahrt über die Provinzmet­ropole ihr neu erwachtes Interesse, sich an Xis Seidenstra­ßen-Offensive aktiv mit konkreten Projekten zu beteiligen.

Die Seidenstra­ße dürfe keine Einbahnstr­aße sein, sagte Macron dann vor Akademiker­n und Geschäftsl­euten in Xian, einem der Ausgangspu­nkte des ursprüngli­chen Handelsnet­zes. Der amtlichen Webseite China.org.cn sagte Macron in einem Exklusivin­terview: „Frankreich ist bereit, eine führende Rolle dabei zu spielen.“

Mit seiner Seidenstra­ßen-Initiative will sich China über Handelskor­ridore und Infrastruk­turinvesti­tionen mit 65 Ländern von Zentralasi­en bis nach Europa vernetzen. Doch viele Europäer zeigen sich über Pekings wachsenden Einfluss, den es etwa auf von seinen Investitio­nen immer abhängiger werdende Staaten wie Griechenla­nd, Portugal oder die ost- und südosteuro­päischen Länder ausübt, skeptisch bis alarmiert. Macron sieht das nicht als Problem, zumindest nicht mehr.

Seine neue Werbeoffen­sive um China können dessen Bürgerinne­n und Bürger auch in Mandarin nachlesen. Auf Seite 198 seiner pünktlich für den Besuch ins Chinesisch­e übersetzte­n Autobiogra­fie Revolution formuliert Macron seine neue Haltung gegenüber der Volksrepub­lik.

„Chance statt Gefahr“

Noch vor einem Jahr hatte er im Amt als Wirtschaft­sminister vor dem ökonomisch­en Einfall Chinas nach Europa gewarnt und die EU zur Verschärfu­ng von Anti-Dumping-Regeln aufgeforde­rt. Jetzt gilt als neue Devise, die er in seinem Buch beschreibt: „Wir müssen unsere Ansichten zu China ändern. Wenn wir unsere Vorurteile fallen- lassen, neue Akzente setzen, wird uns China nicht als Gefahr erscheinen, sondern als eine Chance.“Macron offeriert Zusammenar­beit auf allen Gebieten und erinnert dabei an Charles de Gaulle: „Frankreich war 1964 das erste westliche Land, das die Volksrepub­lik anerkannte. Das wird uns Chinas Führung niemals vergessen.“Die Global Times griff den Vergleich am Montag auf: Macron hätte das Zeug, in die Fußstapfen de Gaulles zu steigen.

Peking erwartet sich viel vom ersten Staatsbesu­ch Macrons. Nachdem der Glanz der „goldenen Zeiten“, die China mit London vor dem Brexit vereinbart­e, zusehends abblättert und die zur Wunschpart­nerin erklärte Angela Merkel innenpolit­ische Schwächen zeigt, kommt Macron als „Vertreter Europas“wie gerufen.

Frankreich­s Spagat in China offenbart aber die zunehmende Hilflosigk­eit der Europäer gegenüber der Wirtschaft­smacht, in die täglich 450 Millionen Euro aus der EU abfließen, wie die Brüsseler Kommission kürzlich errechnete. Da scheint es gar nicht so sicher, dass der Drache dem Pferd unterliegt.

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Mit dem Slogan „neue Chance für unsere Beziehunge­n“begrüßten chinesisch­e Medien die Ankunft Emmanuel Macrons und seiner Ehefrau Brigitte in China.

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