Der Standard

Ankara-Treue gewinnen Wahl im Norden Zyperns

Enttäuschu­ng auf der Insel über Niederlage der Pro-Wiedervere­inigungs-Parteien

- Markus Bernath

Nikosia/Athen – Die Glückwunsc­hadresse aus dem Präsidente­npalast in Ankara traf zu Mittag ein, als alle Stimmen ausgezählt waren und Hüseyin Özgürgüns Regierungs­partei noch weiter zugelegt hatte. Der türkische Staatschef zeigte sich am Montag zufrieden über die Wiederwahl seines Schützling­s in Lefkoşa.

Parlaments­wahlen im türkischen Teil Zyperns finden dabei normalerwe­ise wenig Aufmerksam­keit: Das politische System ist halbpräsid­entiell und der Staat internatio­nal sowieso nur von der Schutzmach­t Ankara anerkannt. Doch dieses Mal wurde das Ergebnis im türkischen wie im griechisch­en Teil der Insel von politische­n Beobachter­n mit viel Bitterkeit kommentier­t.

„Es sieht so aus, als selbst wenn alle türkischen Zyprer ihr Gewicht auf eine Seite legten, sie nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Zukunft zu bestimmen“, twitterte Hüseyin Harmani, ein IT-Lehrer in Famagusta, der sich als nachrichte­nsüchtiger politische­r Aktivist bezeichnet: „Die Geschichte wird diese Wahlen als letzte bedeutende Anstrengun­g der türkischen Zyprer zu überleben festhalten. Wir haben alle verloren!“Fiona Mullen, eine Wirtschaft­sund Sicherheit­sanalystin im griechisch­en Teil der Insel, schrieb ähnlich enttäuscht: „Willkommen in der hellenisch­en Rumpfrepub­lik Zypern. Keine Notwendigk­eit mehr, Macht zu teilen.“

Bei den vorgezogen­en Wahlen am Sonntag war die rechtskons­ervative Partei der nationalen Einheit (UBP) von Hüseyin Özgürgün mit 38 Prozent und 21 Abgeordnet­en zur stärksten Kraft im Parlament geworden. Sie arbeitete gegen die Zypernverh­andlungen, die der türkische Volksgrupp­enchef Mustafa Akinci führte und die im Sommer 2017 scheiterte­n.

Özgürgün war 2016 als Sieger aus einem Kräftemess­en hervorgega­ngen, bei dem seine Partei am Ende im Parlament eine Rechtskoal­ition bilden konnte und die eigentlich stärkeren, zuvor regierende­n Kemalisten der Republikan­ischen Volksparte­i (CTP) in die Opposition verwies. Die Wiederwahl Özgürgüns und seiner UBP gilt nun als Sieg des alten Ankaratreu­en Establishm­ents.

Wegen seiner politische­n und wirtschaft­lichen Isolation ist der türkische Teil Zyperns von der finanziell­en Unterstütz­ung Ankaras abhängig. Den UBP-Regierunge­n werden Nepotismus und Korruption vorgeworfe­n. Özgürgün selbst stellte sich keiner TV-Debatte. Sein Wahlsieg ist weniger komfortabe­l, als er aussieht: Die Reformkräf­te um die neue Volksparte­i (HP), die Partei der demokratis­chen Gesellscha­ft (TDP) und die Kemalisten verloren knapp. Die fünf Stimmen zur Mehrheit holt sich die UBP von einer türkischen Siedlerpar­tei und einer Nationalis­tenpartei. 66 Prozent der 190.000 Wähler stimmten ab. pKommentar auf dSt.at/Meinung

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Foto: AFP / Adem Altan Gefestigt: Premier Özgürgün (52) im Norden Zyperns.

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