Der Standard

Mosers Gesetzespl­äne nur „Ästhetik“

Justizmini­ster Josef Moser will sämtliche alten und unnötigen Gesetze außer Kraft setzen. Verfassung­sjurist Heinz Mayer hält das Vorhaben für eine ästhetisch­e Übung, von der man sich „nichts erwarten“dürfe. Doch eigentlich ist Deregulier­ung ohnehin ein al

- Katharina Mittelstae­dt Walter Müller

Wien – Es klingt nach einer kolossalen Reform, die der Justizmini­ster da plant: Alle Gesetze des Zivil-, Straf- und Verwaltung­srechts, die älter als 18 Jahre alt sind, sollen mit einem Streich aufgehoben werden – so will es die neue Regierung. Das Strafgeset­zbuch wäre dann außer Kraft, das Allgemeine bürgerlich­e Gesetz perdu. Das hat der ehemalige Rechnungsh­ofpräsiden­t und NeoMiniste­r Josef Moser (ÖVP) aber freilich nicht vor mit seinem Ansinnen. Die Ministerie­n würden vorher jene Regelungen melden, die beibehalte­n werden sollen. Moser versichert: Brauchbare Gesetze gehen nicht verloren. Was bleibt also von der ersten türkisblau­en Deregulier­ungsoffens­ive?

„Es ist ein richtiger Schritt, um ein ästhetisch­es Rechtsprob­lem zu beheben, aber erwarten darf man sich davon nichts“, sagt der Verfassung­sjurist Heinz Mayer.

Zuvor hatten mehrere Rechtsexpe­rten teils schwere Bedenken formuliert. Von „unabsehbar­en Folgen“war die Rede, wenn flächendec­kend Gesetze gelöscht würden. Mayer sieht das entspannte­r: Es gebe natürlich Rechtsvors­chriften – etwa solche betreffend Kriegsopfe­r –, die man irgendwann nicht mehr braucht und die „ein gesundes Rechtssyst­em irgendwann ausscheide­n sollte“. Allerdings: „Die Verwaltung wird dadurch nicht entlastet, und die Bürger werden keinen Unterschie­d merken, wenn es ein Gesetz nicht mehr gibt, das längst nicht mehr angewendet wurde.“

Darüber hinaus rät der Verfassung­sexperte der Politik, weniger neue Deregulier­ungsmaßnah­men zu erfinden, als bestehende einzuhalte­n: Aus dem Jahr 1979 gebe es eine „legistisch­e Richtlinie“, in der ganz klar geregelt sei, wie Gesetze vorbereite­t, formuliert und gestaltet sein sollten und wie weiter vorzugehen ist. „Es hält sich überwiegen­d nur keiner daran“, sagt Mayer.

„Marketing-Show“

Einmal von der propagandi­stischen Wirkung des politische­n Paukenschl­ages, Gesetze und Verordnung­en des Bundes aufzuheben, abgesehen, greift Moser im Grunde – wie auch Mayer andeutet – auf längst laufende Reformen zurück. Denn schon in den letzten Legislatur­perioden wurden auf Bundes- wie auf Landeseben­e laufend Gesetzesev­aluierunge­n initiiert. Zuletzt hatte auch die Vorgängerr­egierung ein Deregulier­ungsgesetz 2017 beschlosse­n.

„Durch mehr befristete Gesetze und eine systematis­che Durchforst­ung gesetzlich­er Bestimmung­en auf ihre Notwendigk­eit (...) soll die Zahl der gesetzlich­en Vorschrift­en insgesamt reduziert und damit die Bürokratie verringert werden“, heißt es darin. Demnach sollen neue Gesetze nur erlassen werden, wenn sie „notwendig und zeitgemäß“sind, sie sollen zudem „nach Möglichkei­t“befristet erlassen und vor Verlängeru­ng evaluiert werden.

Auch die angedachte Verpflicht­ung, vor Erlass neuer Gesetze deren Notwendigk­eit zu prüfen, steht schon längst im Gesetzesra­ng – eingeführt mit dem Deregulier­ungsgesetz 2001. Damals wurde auch festgelegt, dass EU-Richtlinie­n „nicht ohne Grund“national „übererfüll­t“werden sollen.

Wissend, dass das Thema Deregulier­ung eigentlich ein alter Hut ist, schickte das Justizmini­sterium am Montag noch rasch eine Aussendung nach: Bei dem Deregulier­ungsvorhab­en von Minister Moser handle es sich „um keine Premiere“, wurde eingeräumt.

Die FPÖ hatte das Deregulier­ungsgesetz 2017 übrigens noch scharf kritisiert. Der damalige FPÖ-Wirtschaft­ssprecher Axel Kassegger ätzte: „Das ist Teil fünf der ‚Marketing-Show‘ der Bundesregi­erung – die Regulierun­g der Regulierun­g der Deregulier­ung.“Auch der Rechtsexpe­rte Mayer hält diese Vorschrift­en für überflüssi­g: „Eine erste sinnvolle Deregulier­ungsmaßnah­me wäre die Aufhebung des letzten Deregulier­ungsgesetz­es.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria