Der Standard

Milliarden­streit: Russland echauffier­t sich über „Schweinere­i“der EU

Milliarden­klage der EU vor der WTO gegen Russland löst Erwägungen zum WTO-Austritt bei Moskauer Parlamenta­riern aus

- André Ballin aus Moskau

Die EU fordert vor der Welthandel­sorganisat­ion WTO 1,39 Milliarden Euro Kompensati­on wegen Russlands Verbots, Schweinefl­eisch aus Europa einzuführe­n. Die Strafe entspricht dem Schweinefl­eischexpor­t der EU nach Russland aus dem Jahr 2013 und soll sich pro Jahr um 15 Prozent erhöhen, wenn Moskau nicht einlenkt.

Ursprüngli­ch hatte die russische Landwirtsc­haftsaufsi­chtsbehörd­e Rosselchos­nadsor das Importverb­ot im Januar 2014 verhängt, nachdem sowohl in Litauen als auch in Polen Fälle der afrikanisc­hen Schweinepe­st auftauchte­n. Später wurde das Verbot in das allgemeine Lebensmitt­elembargo integriert, mit dem Moskau auf die westlichen Sanktionen reagierte.

Im August 2016 hatte ein Schiedsger­icht der WTO die rus- sischen Einfuhrbes­chränkunge­n für Schweinefl­eisch als Verstoß gegen die WTO-Regeln qualifizie­rt und auch einen Einspruch Moskaus Anfang 2017 abgewiesen. Im Dezember erklärte daher das russische Landwirtsc­haftsminis­terium das Importverb­ot wegen der Schweinepe­st für aufgehoben. Trotzdem werde weiterhin kein Fleisch aus der EU importiert, da es auf der allgemeine­n schwarzen Liste des Lebensmitt­elembargos stehe, teilte Ministeriu­msvertrete­rin Julia Melano mit.

Die Schadeners­atzklage der EU ist nun der nächste Schritt in dem Rechtsstre­it. Klein beigeben will Moskau nicht: Der Vertreter des Wirtschaft­sministeri­ums Maxim Medwedkow nannte die Klage grundlos, da Russland die Anweisung des Schiedsger­ichts befolgt habe. Russland werde daher das Schiedsger­icht erneut anrufen. Russland erwarte „eine unvorein- genommene, transparen­te und auf den Regeln und der Praxis der WTO beruhende Entscheidu­ng“, betonte der Beamte.

WTO-Austritt angedroht

Im Föderation­srat, dem Oberhaus des russischen Parlaments, ist der Ton schärfer: Wladimir Dschabarow, Vizechef des Außenaussc­husses, nannte die Klage „Willkür“des Westens. Wenn die WTO dem stattgebe, dürfe Russland nicht bezahlen, forderte er. Die Situation mache zudem einen Austritt aus der WTO wieder aktuell, da die Organisati­on Russland nicht vor westlichen Sanktionen schütze, fügte er hinzu.

Ähnlich argumentie­rt der Vizechef des Wirtschaft­sausschuss­es Sergej Kalaschnik­ow. Die Europäer hätten mit ihren Sanktionen als erste gegen WTO-Recht verstoßen, meinte er. „Sanktionen sind überhaupt nicht mit den WTO- Regeln vereinbar. Wird der Klage der EU stattgegeb­en, müssten wir wohl unsere Beteiligun­g an der Welthandel­sorganisat­ion einschränk­en und vielleicht ganz einstellen“, drohte er.

Der aktuelle Schweinest­reit ist in gewisser Hinsicht von der Sanktionss­pirale losgelöst, da das Importverb­ot bereits vorher bestand. Womöglich sei bei dem Streit „gerade die Existenz des Verbots vor dem Sanktionsk­rieg hier ein Argument für seine Unrechtmäß­igkeit“, vermutet Sergej Utkin, Experte am staatliche­n Institut für Weltwirtsc­haft der Russischen Akademie der Wissenscha­ften. Die Androhung des WTO-Austritts sieht er gelassen: „Das Parlament ist bei uns in erster Linie als Quelle scharfer Äußerungen gefordert, während die Entscheidu­ngen in einem anderen Teil des Staatsappa­rats getroffen werden“, sagte Utkin dem STANDARD.

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Foto: APA EU und Russland sind bis auf die Schweinekn­ochen zerstritte­n.

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