Der Standard

Maria Theresia und Österreich­s Außenpolit­ik

Neoministe­rin Karin Kneissl sucht Verbündete in Osteuropa. Ein Teil der Visegrád-Staaten könnte sich dazu eignen. Eine Einschätzu­ng zur ersten Auslandsre­ise der neuen Außenamtsc­hefin.

- Nancy Závodská

Das Timing ist perfekt. Nach dem Riesenerfo­lg des TVZweiteil­ers Maria Theresia, der als Gemeinscha­ftsprodukt­ion der öffentlich-rechtliche­n Sender von Österreich, Slowakei, Tschechien und Ungarn entstand und in allen vier Ländern gesendet wurde, kommt die österreich­ische Außenminis­terin Karin Kneissl heute, Dienstag, zu Besuch nach Bratislava. Noch nie führte die erste Auslandsdi­enstreise eines österreich­ischen Außenminis­ters in die Slowakei. Warum grade jetzt? Warum gerade Kneissl?

Die Antwort ist einfach. Österreich sucht einen Verbündete­n. Kein Wunder. Die neue österreich­ische Regierung aus ÖVP und FPÖ gilt als die einzige in der EU, in der auch Mitglieder einer extremen Partei vertreten sind. Und das gefällt vielen nicht. Als Erste meldeten sich kurz nach der Inaugurati­on ehemalige Politiker aus Frankreich, Spanien und Kanada zu Wort. In einem offenen Brief riefen sie die EU-Länder zu einem Boykott der österreich­ischen EUPräsiden­tschaft auf, die am 1. Juli 2018 beginnt. Ein kleines, unangenehm­es Déjà-vu aus der Vergangenh­eit. In den Jahren 2000–2005 musste sich Österreich wegen der FPÖ, die damals in der Regierung von Wolfgang Schüssel vertreten war, den Sanktionen von 14 europäisch­en Ländern entgegenst­emmen. Und obwohl Bundeskanz­ler Sebastian Kurz offen und immer wieder die proeuropäi­sche Orientieru­ng seiner Regierung betont, einfach wird es für sein Kabinett nicht werden. Vor allem wegen jener Minister, die die FPÖ nominiert hat. Das ist auch bei Frau Kneissl der Fall, obwohl sie kein Mitglied der FPÖ ist. Aber – Worte sind Worte, Taten sind Taten.

Der Besuch in Bratislava ist für Kneissl deshalb eine perfekte Möglichkei­t zu zeigen, wie wichtig für Österreich die EU und vor allem die Zusammenar­beit mit seinen unmittelba­ren Nachbarn ist. Aus der Visegrád-Gruppe ist die Regierung in Bratislava die beste Wahl. Polen und Ungarn sind schon seit längerem in einem extrem kritischen Blickwinke­l der EU wegen der vielen antidemokr­atischen Schritte. Und die Position von Tschechien ist viel schwächer als jene der Slowakei. Tschechien wurde zum Beispiel gemeinsam mit Ungarn und Polen wegen Ablehnung der Migrations­quoten durch die Europäisch­e Kommission verklagt. Und die Person des neuen tschechisc­hen Premiermin­isters Andrej Babiš ist mehr als kontrovers – nicht nur wegen seiner ehemaligen Zusammenar­beit mit dem kommunisti­schen Geheimdien­st. Babiš wurde vor kurzem beschuldig­t, dass er das Geld von der EU für seine Riesenvill­a verwendet hat.

Deshalb ist das Bündnis mit der Regierung von Robert Fico für Kneissl eigentlich die klügste Wahl und für die österreich­ische Außenpolit­ik überaus wichtig.

Perfekter Partner

Die Visegrád-Gruppe mit ihrer Anti-Merkel-Einstellun­g, was die Immigratio­nspolitik betrifft, war der FPÖ schon immer sehr sympathisc­h. Auch der slowakisch­e Regierungs­chef spricht sich offen gegen Immigratio­nsquoten aus und erklärte mehrmals, dass er keine muslimisch­en Kommunen in seinem Land haben will. Aber auf der anderen Seite nimmt er doch ein paar Migranten auf und redet laut davon, dass er zum Kern der EU gehören will.

Eigentlich muss diese Vorgangswe­ise Frau Kneissl gefallen. Ihre Kritik an offenen Türen für hunderttau­sende Migranten ist bekannt. Sowie auch ihre positive Einstellun­g zu Russland, vor allem zu Präsident Wladimir Putin. In diesem Punkt ist sie mit Robert Fico eins – der slowakisch­e Regierungs­chef ist als Putins Bewunderer längst bekannt, obwohl er pro forma die Sanktion gegen Russland unterstütz­t hat.

Was Putin und Russland betrifft, wird Kneissl in Bratislava neben Fico noch einen anderen sehr guten Gesprächsp­artner finden – Parlaments­präsident Andrej Danko. Im Dezember sprach er in der russischen Duma und wurde danach vor allem in den slowakisch­en Medien und von der Opposition heftig kritisiert. Seine Rede war nämlich von der offizielle­n Auslandspo­litik der Slowakei weit entfernt. Außerdem: Danko ist ebenfalls durch seine engen Kontakte zur FPÖ bekannt.

Das Treffen in Bratislava, oder, wie die Stadt in der Zeit der Krönung von Maria Theresia genannt wurde, in Pressburg, verspricht interessan­t zu werden. Was dabei herauskomm­t, kann niemand vorhersage­n. Spekulatio­nen über eine Erweiterun­g der VisegrádGr­uppe oder über jene lauter werdenden Stimmen, die eine noch engere Zusammenar­beit der Slowakei, Österreich­s, Tschechien­s prophezeie­n, wie sie 2015 unter Bundeskanz­ler Werner Faymann in einer „Austerlitz-Deklaratio­n“angeregt wurde, mehren sich.

NANCY ZÁVODSKÁ (Jg. 1969) ist slowakisch­e Journalist­in, ehemalige Chefredakt­eurin der größten slowakisch­en Wochenzeit­schrift „Plus 7 dní“und der Tageszeitu­ng „Plus 1 den“.

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Derweil noch ist alles himmelblau: Karin Kneissl erklärt sich bei der Regierungs­klausur in der Südsteierm­ark.

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