Der Standard

Das Gute an #MeToo

Golden Globes und Feminismus: Gesellscha­ftlicher Fortschrit­t lässt sich nicht aufhalten

- Petra Stuiber

Schwarze Kleider, spitze Bemerkunge­n, jede Menge Awards und ein Lebenswerk­preis für Oprah Winfrey, die Königin des Frauenselb­stermächti­gungstalks: Die #MeToo-Debatte ist bei den Golden Globes angekommen. Hollywood windet sich in Selbstzerk­nirschung und gelobt, künftig Geschlecht­ergleichhe­it walten zu lassen und Frauen nicht länger als Sexobjekte zu behandeln.

Das kann man als PR-Gag ansehen oder als Zeichen, dass die US-Filmindust­rie schon immer gut darin war, Trends früh zu erkennen und aufzugreif­en. Man kann es aber auch als größeres Signal werten, dass diese Bewegung – man könnte sie mit Fug und Recht eine Frauenbewe­gung nennen – mittlerwei­le solche Kraft entwickelt hat, dass sich ihr kaum jemand entziehen kann. Der Aufschrei der weiblichen Schauspiel­superstars hatte internatio­nalen Vorbildcha­rakter. Die österreich­ische Skifahreri­n Nicola Werdenigg etwa berief sich explizit auf #MeToo, als sie Missbrauch im Skisport anprangert­e. Die schwedisch­e Außenminis­terin Margot Wallström postete selbst #MeToo, auch die EU-Kommissari­nnen Věra Jourová und Cecilia Malmström meldeten sich. Im EU-Parlament wurden sexuelle Belästigun­g und Übergriffe auf allen Ebenen publik.

Oft wird kritisiert, dass der „feministis­che Aufschrei“(Malmström) nicht unterschei­de, sondern verbale und digitale Belästigun­g wüst mit sexuellen Übergriffe­n, Missbrauch und Vergewalti­gung vermische, dass plötzlich alles #MeToo sei, was im Zwischenme­nschlichen nicht „politisch korrekt“ablaufe. Diese Kritik hat das Zeug zum Totschlaga­rgument, schließlic­h gilt Political Correctnes­s in manchen Kreisen als eher übel beleumunde­ter Ausdruck.

Man kann es aber auch positiv sehen: Der „Aufschrei“zeigt, dass sich täglich erlebte Ungerechti­gkeit und Demütigung eben nicht einkasteln und ordnen lässt, sondern sehr viele Bereiche umfasst – etwa auch die ungleiche Bezahlung von Männern und Frauen in vielen Bereichen. Die BBC-Journalist­in Carrie Gracie verließ deshalb ihr Unternehme­n nach 30 Jahren.

Wie auch immer man zu #MeToo stehen mag, allein die Tatsache, was alles hochkam und was es ausgelöst hat, ist ein Fortschrit­t. Die Frage ist nun: Was macht die Welt daraus? Be- deutet es eine Flut schwammige­r Vorschrift­en, wie etwa jüngst in Schweden, wo nicht klar ist, wann und wie künftig einvernehm­licher Sex vereinbart werden muss? Oder bedeutet es im besten Fall, dass wir lernen, umsichtige­r und wertschätz­ender miteinande­r umzugehen?

Eine weitere Erkenntnis lässt sich ableiten: Es gibt kein Zurück in die „gute alte Zeit“. Mögen konservati­ve Regierunge­n wie jetzt auch in Österreich das Bild von der „normalen“Familie mit Vater-Mutter-Kind malen, wie es sie früher einmal gegeben hat. Mögen sie feministis­chen Initiative­n den Geldhahn abdrehen, mögen sie bewusst darauf verzichten, Frauenprog­ramme zu fördern. Gesellscha­ftlicher Fortschrit­t lässt sich in Zeiten globaler digitaler Kommunikat­ion nicht aufhalten. Frauen behaupten ihren Platz in der Öffentlich­keit, sie gewinnen an Terrain – sogar in diesbezügl­ich so düsteren Ländern wie Saudi-Arabien. Hatespeech in sozialen Netzwerken zum Trotz: Das Rad kann nicht zurückgedr­eht werden.

Das ist das Gute an #MeToo – und sei Trost und Ermunterun­g für all jene, die immer noch rechtlos sind oder gerade dazu gemacht werden.

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