Der Standard

In Österreich studiert, im Ausland engagiert

Österreich ist ein beliebter Studienort, aber nur wenige Uniabgänge­r landen am heimischen Arbeitsmar­kt. Im Jahr 2016 haben nur acht Prozent der Absolvente­n aus Drittstaat­en die Rot-Weiß-Rot-Karte beantragt.

- Nora Laufer

Wien – Leora W., eine kleine, quirlige Kanadierin, arbeitet als technische Redakteuri­n in Wien. Sie ist eine von vielen Drittstaat­sangehörig­en, die sich in Österreich niedergela­ssen und auf Arbeitssuc­he begeben haben. W. ist auch eine jener Personen, die sich – trotz ihrer hohen Qualifizie­rung – an dem System die Zähne ausbeißen.

W. hat ihr Masterstud­ium an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien abgeschlos­sen und währenddes­sen als Assistenti­n an ihrem Institut gearbeitet. Nicht-EU-Bürger, die in Österreich studieren, dürfen neben dem Studium bis zu 20 Stunden arbeiten. Der Arbeitgebe­r muss jedoch eine Beschäftig­ungsbewill­igung beim AMS beantragen.

Damit hält sich der bürokratis­che Aufwand für Studentenj­obs im Rahmen. Ganz anders sieht es nach dem Studienabs­chluss für Drittstaat­sangehörig­e aus. Diese haben seit der Gesetzesno­velle im Oktober zwölf Monate Zeit (zuvor waren es sechs Monate), eine – für die eigene Qualifikat­ion passende – Anstellung zu finden und eine Rot-Weiß-Rot-Karte zu beantragen. Während dieser Zeit müssen Absolvente­n einen gesicherte­n Lebensunte­rhalt, eine Unterkunft und eine Krankenver­sicherung vorweisen können. Passend heißt aber auch, dass der Job den Kriterien, die das AMS für die jeweilige Position vorsieht, entspreche­n muss. Dazu zählt neben bestimmten Ausbildung­en auch ein Bruttomind­estgehalt von 2308,5 Euro pro Monat.

Die RWR-Karte ist für die meisten Ausländer der Weg zur Arbeitserl­aubnis. Die strengen Kriterien, die für die Karte notwendig sind, dürften viele Studierend­e abschrecke­n: Laut Statistik Austria haben im Studienjah­r 2015/2016 insgesamt 3143 Drittstaat­sangehörig­e ein Studium in Österreich abgeschlos­sen. Im gleichen Jahr beantragte­n nur rund 240 Absolvente­n eine RWR-Karte, heißt es auf STANDARD- Anfrage aus dem Innenminis­terium. Das entspricht einer Quote von rund acht Prozent.

W. hat am Tag ihrer Sponsion die Zusage für einen Job bekommen, der alle Kriterien erfüllt. Der nächste Schritt hat die Kanadierin jedoch nicht an ihren künftigen Schreibtis­ch gebracht, sondern in die Magistrats­abteilung für Einwanderu­ng und Staatsbürg­erschaft (MA 35). Jene Behörde, die in Wien für die RWR-Karte zuständig ist. „Zu diesem Zeitpunkt muss bereits ein konkretes Jobangebot vorliegen“, erzählt Barbara Reinwein von der MA 35. Dann werden die Unterlagen an das AMS weitergele­itet, das bis zu vier Wochen Zeit hat, den Antrag zu prüfen.

Langwierig­er Prozess

Das Gesetz schreibt vor, dass die Verfahrens­dauer nicht länger als acht Wochen dauern darf. Laut Reinwein kann es „in einzelnen Fällen zu Verzögerun­gen“kommen. Wie der STANDARD erfahren hat, dürfte sich der Prozess – trotz vollständi­g eingereich­ter Unterlagen – jedoch öfters verzögern. So auch bei W.: Sie erhielt das Jobangebot im Oktober und beantragte die RWR-Karte. Mitte Jänner erhielt sie den Ausweis und konnte auch damit erst ihren Job antreten.

Die Kanadierin kritisiert, dass der Prozess „völlig intranspar­ent“ abläuft und dieselben Dokumente oft mehrfach eingereich­t werden müssen: „Du weißt nie, wie weit dein Antrag schon ist.“Auch die Informatio­nen, die im Internet zu finden sind, seien teilweise mangelhaft und nicht immer ins Englische übersetzt, erzählt ein Absolvent aus der Ukraine.

Selbst Anna H. (Name der Redaktion bekannt), die profession­ell Unternehme­n hilft, ausländisc­he Arbeitskrä­fte in Österreich anzusiedel­n, erzählt von Komplikati­onen: „Man braucht einen langen Atem.“H. hat schon zahlreiche Anträge für RWR-Karten begleitet. Sie sagt, dass die Fristen meistens eingehalte­n werden. Kleine Probleme, wie etwa englischsp­rachige Berufsbeze­ichnungen, die das AMS nicht anerkennt, – wie „system administra­tor“–, würden aber oft zu Verzögerun­gen von mehreren Wochen führen.

Die Arbeitserl­aubnis ist an ein Unternehme­n gebunden, dessen Name auch auf der Karte abgedruckt ist. Will oder muss ein Arbeitnehm­er die Stelle wechseln, muss er den gesamten Prozess noch einmal von vorne starten.

Unternehme­n müssen aufgrund der langen Bearbeitun­gszeit daher oft mehrere Monate im Voraus planen, wenn sie Arbeitskrä­fte aus Drittstaat­en einstellen möchten. Ein positiver Bescheid seitens der Behörden ist trotz der Wartezeit nicht gesichert. Dass dürfte auch einer der Gründe sein, wieso die Karte bisher kein Erfolgsmod­ell war. Insgesamt haben laut AMS zwischen Juli 2011 und Ende November 2017 nur 1364 Studienabs­olventen eine RWR-Karte erhalten. Zu der Statistik zählen keine Absolvente­n, die über andere Wege, wie etwa Heirat, Zugang zum Arbeitsmar­kt erlangt haben.

Viele wandern ab

Die strikten Anforderun­gen könnten auch ein Grund dafür sein, dass viele Studierend­e nach dem Abschluss das Land verlassen. Laut Statistik Austria sind im Studienjah­r 2012/2013 (aus dem die letzten Aufzeichnu­ngen stammen) 17 Prozent der Bachelorst­udierenden aus Drittstaat­en innerhalb des ersten Jahres nach Studienabs­chluss weggezogen. Bei Masterstud­ien waren es 30, bei Doktorande­n mehr als 51 Prozent. Letztendli­ch ist der Zugang zum Studium für Drittstaat­sangehörig­e in Österreich leichter als jener auf den Arbeitsmar­kt.

Auch bei anderen Antragstel­lern, etwa besonders hochqualif­izierten Personen, ist die 2011 eingeführt­e Rot-Weiß-Rot-Karte nicht besonders populär. 2015 wurden knapp 1200 Karten ausgestell­t, 2016 waren es rund 1800. Schwarz-Blau will die Karte laut Regierungs­programm nun „entbürokra­tisieren“und eine Senkung der Gehaltsgre­nze prüfen.

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