Der Standard

Haibesuche, die Rätsel aufgeben

Seit zwei Jahren taucht vor der israelisch­en Küstenstad­t Chadera im Winter eine Gruppe Haie auf. Warum sie kommen und wohin sie ziehen, müssen die Forscher erst noch herausfind­en. Die Sichtungen könnten auch eine Chance für ihren Schutz sein.

- Lissy Kaufmann aus Tel Aviv

Im Winter steigt bei Udi Levi das Adrenalin besonders hoch, wenn er vor der Küste Israels auf Tauchgang geht. „Es ist wie ein Rausch, manchmal kannst du nur ein, zwei Meter weit sehen, aber wenn dann ein vier Meter langer Hai vor dir auftaucht, das ist extrem. Und wenn du dich umdrehst, und da sind noch drei, vier andere Haie, ist das überwältig­end.“Ohne Schutz, also ohne Käfig, taucht Levi, Mitgründer der Tauchschul­e „Out of the Blu“, seit zwei Jahren immer im Winter mit kleinen Gruppen zu den Haien vor der Küstenstad­t Chadera.

„Menschen fallen nicht ins Beuteschem­a. Aber Vorsicht ist geboten, wir dürfen den Tieren nicht hinterhers­chwimmen, müssen ruhig bleiben, dürfen nur beobach- ten. Wir können nicht garantiere­n, dass sie nicht beißen.“Immerhin ist es nicht der Weiße Hai, der da zwischen Dezember und April vor der Küstenstad­t Chadera auftaucht, sondern eine kleine Gruppe von rund 40 Schwarz- und Sandbankha­ien.

Haie vor der Küste Israels? Im östlichen Mittelmeer? Was ungewöhnli­ch klingt, gibt Forschern tatsächlic­h Rätsel auf. „Dass hier Haie auftauchen, scheint so unwahrsche­inlich, als treffe man in der Negev-Wüste auf einen Löwen“, sagt Meeresbiol­oge Eyal Bigal, Leiter des Labors für Spitzenräu­ber der Morris-Kahn-Marinefors­chungsstat­ion an der Universitä­t Haifa. Derzeit schreibt er seine Doktorarbe­it über die Tiere.

Der Hai ist ein Raubtier, das ganz oben in der Hierarchie steht. Davon gibt es im Mittelmeer aber immer weniger, und genau das macht das Erscheinen der Haigruppe so spannend. Warum kommen sie ausgerechn­et im Winter? Eine Theorie ist, dass sie vom warmen Wasser angezogen werden, das aus dem anliegende­n Kraftwerk ins Meer gepumpt wird. Und wo ziehen die Tiere nach dem Winter wieder hin? Wie viele gibt es dort draußen im östlichen Mittelmeer? So viele offene Fragen, die die Forscher derzeit noch nicht beantworte­n können. „Was wir wissen ist, dass alle Schwarzhai­e, die hier vor Chadera auftauchen, weiblich sind, alle Sandbankha­ie männlich“, erklärt Bigal.

Gefährdete Art

Während er spricht, packt er seine Sachen für den nächsten Tag zusammen. Dann wird er mit seinem Team zu den Haien fahren, um sie zu untersuche­n und mit Sendern zu versehen: Sie werden auch gemessen und Weibchen per Ultraschal­l auf Trächtigke­it untersucht. Satelliten­sender helfen den Forschern herauszufi­nden, wohin die Tiere im Frühling schwimmen.

Doch die Forscher und die Taucher sind nicht die Einzigen, die es zu den Raubtieren zieht: Mittlerwei­le hat sich in Israel rumgesproc­hen, dass hier im Winter Haie auftauchen. Auch Besucher kommen, manche Picknicker meinen, die Tiere füttern zu müssen.

Den Aufenthalt der Haie sieht der Meeresbiol­oge auch als Chance für Artenschut­z. „Langfristi­g könnte die Aufmerksam­keit der Öffentlich­keit helfen, ihre Art zu erhalten“, so Bigal. Denn der Sandbankha­i ist gefährdet und über den Schwarzhai ist zu wenig bekannt, um Auskunft über seinen Erhaltungs­zustand zu geben.

„Damit politische Ziele formuliert werden können, müssen wir Probleme erkennen. Doch über Arten, die viel umherziehe­n, wissen wir wenig, weil es sehr schwierig ist, ihnen zu folgen und sie zu untersuche­n“, sagt Bigal. Er will das nun ändern. Für ihn ist die Arbeit mit den Tieren auch emotional: „Es ist, als treffe man einen Dinosaurie­r. Diese Tierart stand schon am Anfang der Evolution. Und sie kommen ausgerechn­et nach Israel. Das ist eine Ehre.“

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Im Winter sind an der Küste Chaderas Haie zu sehen. Das könnte am warmen Wasser liegen, das aus einem Kraftwerk abgepumpt wird.

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