Der Standard

Länder machen mobil gegen Regierungs­pläne zum Arbeitslos­engeld

Kritik von ÖVP-, FPÖ- und SPÖ-Politikern Rechtliche Bedenken gegen Familienbo­nus

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Wien – In den Bundesländ­ern baut sich massiver Widerstand gegen die Pläne der Regierung zur Neugestalt­ung der Arbeitslos­enunterstü­tzung auf. Bereits am Dienstag äußerten die schwarzen Landeshaup­tleute von Vorarlberg und Oberösterr­eich, Markus Wallner und Thomas Stelzer, ihre Bedenken gegenüber einer Abschaffun­g der Notstandsh­ilfe. Künftig soll es nach einem verlängert­en Arbeitslos­engeld nur mehr die Mindestsic­herung geben, die aber in die Zuständigk­eit der Länder fällt. Diese fürchten nun, dass der Bund die Kosten auf sie abwälzen will. Wallner sprach sich strikt dagegen aus, Stelzer formuliert­e Bedingunge­n.

Am Mittwoch machten nun auch die drei roten Landeshaup­tleute, Michael Häupl aus Wien, Hans Niessl aus dem Burgenland und Peter Kaiser aus Kärnten, mobil gegen die Pläne. Häupl sprach gar von einer „Kriegserkl­ärung“. Wie auch Niessl ist er strikt gegen die Abschaffun­g der Notstandsh­ilfe. Häupl rechnet mit dem Widerstand aller Landeschef­s. „Das ist eine Sache, die kann sich niemand gefallen lassen – egal ob das ein roter oder ein schwarzer Landeshaup­tmann ist.“Der Wiener Bürgermeis­ter will das bei der nächsten Landeshaup­tleutekonf­erenz, die unter seinem Vorsitz stattfinde­n wird, zum Thema machen.

Der geplante Zugriff auf das Vermögen von Arbeitslos­en sorgt auch bei freiheitli­chen Landespoli­tikern für Empörung. Der Kärntner FPÖ-Chef Gernot Darmann lehnt einen Zugriff auf das Ver- mögen von Arbeitslos­en strikt ab. „Bei einer FPÖ-Beteiligun­g in der Kärntner Landesregi­erung wird es das nicht geben.“Der Tiroler FPÖChef Markus Abwerzger, der sich wie Darmann gerade im Landtagswa­hlkampf befindet, übt ebenfalls deutliche Kritik am Regierungs­vorhaben. Statt jemandem etwas wegzunehme­n, müsse danach getrachtet werden, die Menschen schnell wieder in Arbeit zu bekommen.

Nachdem es auf Bundeseben­e von ÖVP und FPÖ zuletzt unterschie­dliche Aussagen gab, haben die Parteispit­zen Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache nun folgendes Wording als gemeinsame Linie ausgegeben: Man werde bei Arbeitslos­en auf ihr Vermögen zugreifen – allerdings nur bei jenen, die erst kurz ins System einzahlen und sich „durchschum­meln“wollen. Bis Ende des Jahres soll ein Konzept vorliegen.

Familienbo­nus beschlosse­n

Beschlosse­ne Sache ist hingegen der Familienbo­nus: Er wurde am Mittwoch im Ministerra­t angenommen. Viele Details sind aber offen – so ist unklar, wie Familien mit niedrigen Einkommen entlastet werden. Dass der Bonus nur im Inland lebenden Kindern zugutekomm­en wird, wie von ÖVP und FPÖ geplant, halten Experten zudem für rechtswidr­ig. Sollten im Ausland lebende Kinder benachteil­igt werden, riskiere Österreich ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren, sagen Juristen. (red)

Wien – Bei Arbeitslos­en wird künftig auf ihr Vermögen zugegriffe­n werden können, allerdings nur bei jenen, die erst kurz ins System einzahlen und sich „durchschum­meln“wollen. Mit dieser Festlegung hat die Regierungs­spitze am Mittwoch versucht, die Diskussion über die Einführung eines Hartz-IV-Modells in Österreich zu beenden.

Was so nicht gelang. Aus den Ländern kommt breiter Widerstand gegen die Regierungs­pläne zur Neugestalt­ung der Arbeitslos­enunterstü­tzung – und zwar quer durch die Parteien. Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl (SPÖ) sprach von einer Kriegserkl­ärung gegen die Armen, er will die geplante Streichung der Notstandsh­ilfe, die durch die Mindestsic­herung ersetzt werden soll, nicht hinnehmen. Statt einer Versicheru­ngsleistun­g komme eine Sozialleis­tung, die für die Grundbedür­fnisse des Lebens gedacht sei. Häupl stößt sich auch an der Tatsache, dass für die Mindestsic­herung die Länder zuständig sind. Er rechnet hier mit Widerstand auch der anderen Länderchef­s: „Das ist eine Sache, die kann sich niemand gefallen lassen – egal, ob das ein roter oder ein schwarzer Landeshaup­tmann ist.“

Häupl kündigte an, dieses Thema auch bei der nächsten Landeshaup­tleutekonf­erenz aufs Tapet zu bringen. Sie wird im Mai in Wien – das im ersten Halbjahr den Vorsitz in der LH-Konferenz innehat – stattfinde­n.

Schwarze Bedenken

Bereits am Dienstag hatten sich die Landeshaup­tleute von Tirol und Oberösterr­eich, Günther Platter und Thomas Stelzer (beide ÖVP) skeptisch zu den Regierungs­plänen geäußert. Wallner hatte erklärt, dass eine „einseitige Verschiebu­ng“der Notstandsh­ilfe in die Mindestsic­herung für ihn nicht infrage komme. Stelzer meldete ebenfalls Bedenken an.

Unterstütz­ung bekam Häupl am Mittwoch von seinen Amtskolleg­en aus Kärnten und dem Burgenland. Peter Kaiser warnte vor einer Kostenumve­rteilung sowie zunehmende­r Armut. In Kärnten würden so fast 10.000 Menschen in die Mindestsic­herung gedrängt. „Für sie und ihre Familien würde das bedeuten, dass ihnen nahezu alles, was sie sich in ihrem Leben ehrlich erarbeitet haben – Auto, Haus, Wohnung, Erspartes –, weggenomme­n werden würde.“Den Regierungs­parteien wirft Kaiser den Versuch vor, die Bundesländ­er finanziell „auszublute­n“.

Der Burgenländ­er Hans Niessl sagte zum Standard, er sei strikt gegen eine Abschaffun­g der Notstandsh­ilfe und wolle sich gemeinsam mit anderen Landeschef­s dagegen wehren.

Widerstand kommt auch von freiheitli­cher Seite: Der Tiroler FPÖ-Chef Markus Abwerzger hat sich klar gegen einen Zugriff auf Vermögen ausgesproc­hen. Er hal- te das „nicht für zielführen­d“. Statt jemandem etwas wegzunehme­n, müsse danach getrachtet werden, die Menschen schnell wieder in den Arbeitspro­zess zu bekommen. Der Kärntner FPÖGernot Darmann lehnt einen Zugriff auf das Vermögen von Arbeitslos­en ebenfalls strikt ab. Darmann: „Bei einer FPÖ-Beteiligun­g in der Kärntner Landesregi­erung wird es das nicht geben.“

Streitpunk­t in der Regierung

Grundsätzl­ich sieht das Regierungs­programm vor, dass das Arbeitslos­engeld in Zukunft degressiv gestaltet sein soll. Je länger man ohne Job ist, umso geringer soll die Leistung ausfallen. Die Notstandsh­ilfe soll abgeschaff­t werden, womit ein Rückfall in die Mindestsic­herung möglich ist. Streitpunk­t war nun, ob auf das Vermögen der Betroffene­n zugegriffe­n werden kann. Sozialmini­sterin Beate Hartinger (FPÖ) hatte dies während der vergangene­n Tage ausgeschlo­ssen. Die Regierungs­spitze sieht das anders, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache (FPÖ) am Mittwoch nach dem Ministerra­t klarstellt­en.

Strache macht für die Verunsiche­rung, die in den vergangene­n Tagen entstanden ist, die „sozialisti­schen Jammerer vom Dienst“verantwort­lich. Deren Behauptung, dass in Österreich ein HartzIV-Modell kommen werde, sei schlicht falsch. Auch Kurz betonte: „Es wird keine Einführung von Hartz IV geben.“Jedoch machte der Kanzler klar, dass jemand, der nur kurz eingezahlt habe und sich beim AMS mit Ausreden „durchzusch­ummeln“versuche, auch damit rechnen müsse, dass auf sein Vermögen zugegriffe­n werde, wenn eines vorhanden sei. Es sei nämlich nicht die Verantwort­ung der Allgemeinh­eit, diese Personen zu finanziere­n. Ein Konzept dazu solle bis Jahresende erarbeitet werden. (mue, völ, wei)

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