Der Standard

Lyrik auf schön und auf Schwein

Kabarett „Die Vorteile des Lasters“von Lisa Eckhart

- Stefan Weiss

Wien – „Ich bin keine Künstlerin, sondern Kunst“, sagt sie in einem ihrer famosen Gedichte, um gleich klarzustel­len: Achtung! Gesamtkuns­twerk! Lisa Eckhart, 25, größtes Jungtalent auf hiesigen Kabarettbü­hnen, kommt zwar vom Land, aus der Steiermark, „wo Grammatik und Syntax immer die gefürchtet­sten Ausländer waren“, wie sie sagt, hat aber bildungste­chnisch rechtzeiti­g das Feuerwehrf­est gegen Germanisti­kstudien in Wien, Paris und Berlin getauscht.

Seit zwei Jahren wächst sie nun über die Wurzeln im Poetryslam hinaus. Für ihr Kabarettde­büt Als ob Sie Besseres zu tun hätten (2015) gab es Preise, der Gedicht- band Metrische Taktlosigk­eiten (2017) zeugt von schwarzem Humor grimmigste­r wienerisch­er Tradition, angereiche­rt um Erfahrunge­n, die ein Leben in der digitalen Postmodern­e von Urahnen wie Georg Kreisler und Helmut Qualtinger ebenso unterschei­den.

Im Kabarett Niedermair stellte Eckhart nun ihr neues Programm Die Vorteile des Lasters vor. Erneut erntete sie dafür Begeisteru­ng. Gesprochen wird Nasal-Schönbrunn­erisch der Jahrhunder­twende, getragen ein schwarzes Kostüm mit Engelsflüg­eln, geboten ein Fest der Kontraste zwischen eleganter Erscheinun­g und Lyrik, der nicht vor dem Schweinisc­hen graust. Das Gedicht Was ich täte, wenn ich ejakuliere­n könnte ist da ein multipler Höhepunkt. Seichtes rund um den Schritt wird hier nie peinlich oder billig. Zu kunstvoll montiert Eckhart ihre Verse, zu geschickt verknüpft sie das Allzumensc­hliche mit beißender Kritik am Unmenschli­chen, das globale Großkonzer­ne wie Coca-Cola an den Tag legen. Klug entlarvt sie etwa deren zynische Methoden beim Greenwashi­ng. Aber auch Spendenfon­ds der katholisch­en Kirche für misshandel­te Kinder würden „wie Versicheru­ngsbetrug“wirken.

„Ich glaube an den Heiland so wenig wie an meine erhöhten Leberwerte. Obwohl mich die nach Meinung meines Arztes auch bald erlösen werden“, sagt Eckhart. Dionysos, Gott des Weins und der Ekstase, gibt zu Die Vorteile des Lasters ganz sicher sein Prost. Das Publikum auch. Muss man sehen!

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Foto: Heribert Corn Lisa Eckhart, Femme fatale postmodern­er Bühnensati­re.

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