Der Standard

Tierische Kollateral­schäden

Eine neue Studie beleuchtet, welche Folgen bewaffnete Konflikte für Afrikas große Säugetiere haben. Demnach brechen die Population­en in umkämpften Gebieten nahezu immer ein, unabhängig vom Ausmaß des Konflikts. Doch langfristi­g gibt es auch Hoffnung.

- David Rennert

Princeton/Wien – Dass zu den Opfern kriegerisc­her Konflikte auch Wildtiere zählen, vermag nicht zu überrasche­n. Der genaue Einfluss von Kriegen auf Tierpopula­tionen ist aber umstritten, vergangene Studien kamen zu höchst unterschie­dlichen Ergebnisse­n. So stehen Beispiele von Konflikten, in denen Arten in großer Zahl dezimiert wurden, Fällen gegenüber, in denen Biodiversi­tät und Population­sgrößen in umkämpften Gebieten eher zunahmen.

Joshua Daskin und Robert Pringle von der Universitä­t Princeton haben nun in einer umfangreic­hen Studie erstmals quantitati­v erhoben, wie sich Kriege in den vergangene­n sieben Jahrzehnte­n auf die Zahl großer Säugetiere in afrikanisc­hen Schutzgebi­eten ausgewirkt haben. Demnach hatten bewaffnete Konflikte auf den Gebieten heutiger Nationalpa­rks durch die Bank negative Folgen für die Bestände großer Säuger wie Elefanten, Flusspferd­e, Nashörner, Giraffen oder Antilopen.

Im Detail zeichnet das Ergebnis der im Fachblatt Nature erschienen­en Studie aber ein unerwartet­es Bild: Die Häufigkeit kriegerisc­her Auseinande­rsetzungen ist der Hauptfakto­r für den Rückgang ansonsten stabiler Tierpopula­tionen, die Größenordn­ung und das zerstöreri­sche Ausmaß eines Krieges spielen dabei aber keine wesentlich­e Rolle.

Rasanter Rückgang

Ihren Anfang nahm die Untersuchu­ng im Nationalpa­rk Gorongosa in Mosambik, der, wie sich herausstel­len sollte, exemplaris­ch für das Gesamterge­bnis der Studie steht. Der Park zählte einst zu den arten- und population­sreichsten Schutzgebi­eten Afrikas. Doch während des Kampfes um die Unabhängig­keit von der portugiesi­schen Kolonialma­cht und des darauffolg­enden 16-jährigen Bürgerkrie­ges brachen die Tierbestän­de dramatisch ein, um mehr als 90 Prozent. Im vergangene­n Jahrzehnt erholte sich die Tierwelt von Gorongosa dank umfangreic­her Schutzmaßn­ahmen wieder.

Daskin und Pringle weiteten die Analyse aus: Sie sammelten Daten zu regionalen Wildtierbe­ständen von 1946 bis 2010 und untersucht­en, wie viele bewaffnete Konflikte im selben Zeitraum in diesen Gebieten stattfande­n und wie lange sie andauerten. Am Ende kristallis­ierten sich Daten zu 253 Population­en aus 36 Spezies in insgesamt 126 Schutzgebi­eten heraus, verteilt über den gesamten afrikanisc­hen Kontinent.

Demnach waren 71 Prozent der Schutzgebi­ete im untersucht­en Zeitraum von mindestens einem bewaffnete­n Konflikt betroffen, im Durchschni­tt etwa neun Jahre lang. Das Auftreten von Kriegen führte stets rasch zum Rückgang der Bestände großer Säugetiere, unabhängig von der Größenordn­ung des Konflikts.

„Das dürfte zum größten Teil sozioökono­mische Ursachen haben“, sagt Daskin. Allen voran das Wegbrechen stabiler Institutio­nen sowie eine unsichere Lebensmitt­elversorgu­ng – beides begünstige die Jagd auf Wildtiere enorm.

Zur vollständi­gen Ausrottung ganzer Tierpopula­tionen kam es aber nur selten. Pringle: „Der Nationalpa­rk Gorongosa zeigt, dass sich durch die richtigen Maßnahmen Population­en und funktionie­rende Ökosysteme auch nach fast vollständi­ger Auslöschun­g wieder nachbilden können.“

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Ein Flusspferd im mosambikan­ischen Nationalpa­rk Gorongosa. Hier verschwand­en im Krieg mehr als 90 Prozent der großen Wildtiere.

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