Der Standard

Wenn der Fleischman­n zweimal klingelt

-

Ab und zu gelingt es österreich­ischen Politikern, deren Wirken nie in die Kategorien „segensreic­h“, „nachhaltig“oder auch nur „halbwegs relevant“fiel, sich wenigstens durch kreativen Sprachgebr­auch einen Platz im kollektive­n Gedächtnis zu sichern. So hat sich beispielsw­eise über die Amtszeit des SPÖ-Verteidigu­ngsministe­rs Gerald Klug ein gnädiger Nebel des Vergessens gelegt, während der von ihm forcierte Begriff „situations­elastisch“als zeitlos gültiger Befund politische­r Gesinnungs­flexibilit­ät V bleiben wird. ergleichba­res ist unlängst dem FPÖ-Überlebens­künstler Norbert Steger gelungen, als er beklagte, dass ORF-Interviewe­r Armin Wolf sich gegenüber Kurz und Strache „unbotmäßig“verhalte. Damit hat der freiheitli­che Quastenflo­sser ein Problem heimischer Politiker auf den Punkt gebracht: die Abwehr und das im Idealfall schon vorzeitige Verhindern von Fragen, die „unbotmäßig“– laut Duden also „sich nicht so verhaltend, wie von der Obrigkeit gefordert“– sind.

In diesem Zusammenha­ng sei auf einen vor ein paar Wochen im STANDARD erschienen­en Text verwiesen, in dem der ORF-Politikjou­rnalist Robert Wiesner aus der Praxis berichtet: „In der Vorbereitu­ng von Interviews wurden wir zuletzt immer wieder aufgeforde­rt, die Fragen im Vorhinein zu übermittel­n – das sei bei ‚den Privaten‘ ja auch üblich.“

Eine brisante Aussage, die erstaunlic­h wenig Reaktionen ausgelöst hat. Also habe ich mich bei Mitarbeite­rn „der Privaten“erkundigt. Diese bestätigen erhöhtes Interventi­onsaufkomm­en in den vergangene­n Monaten. Das geschieht in der Regel telefonisc­h, wobei sich ein Anrufer durch besondere Hartnäckig­keit auszeichne­t: ÖVP-Pressespre­cher Gerald Fleischman­n, der sogar dann zum Hörer greift, um sich zu beschweren, wenn Redakteure den Terminus „schwarz/blau“verwenden, wo es doch jetzt „türkis/blau“heiße.

Ein Fall journalist­ischer Unbotmäßig­keit, der man beikommen könnte, indem künftig von „schwarz/türkis/blau“berichtet wird, was ohnehin mehr den wahren Machtverhä­ltnissen entspricht, wie die Bundesregi­erung spätestens beim Thema Föderalism­usreform zähneknirs­chend zur Kenntnis nehmen müssen wird. Bezüglich dem „Übermittel­n von Fragen im Vorhinein“gebe es immer wieder Begehrlich­keiten, die abhängig von der Charakterf­estigkeit der Verantwort­lichen behandelt würden. Zur Gewohnheit sei es mittlerwei­le allerdings geworden, unerwünsch­te Fragen schon im Vorfeld zu unterbinde­n. „Dazu sagt der Minister heute nix“, lautet dabei eine, an Voraussage­n über dressierte Hunde erinnernde Ankündigun­g. Wer trotzdem danach fragt, muss mit künftigem Informatio­nsentzug V rechnen. ielleicht könnte man sich ja auf eine vorgegeben­e Liste mit TabuFragen einigen. „Wo war Ihre Leistung?“, „Meinen Sie das ernst?“, „Verstehen Sie selber, was Sie da sagen?“oder „Ist da jemand?“wären dafür Kandidaten.

Eine sichere Lösung wäre es, Interviewe­r durch „Bots“zu ersetzen. Diese in sozialen Medien von politische­n Parteien zu Propaganda­zwecken benutzten Computerpr­ogramme würden dann ausschließ­lich Fragen stellen, die den Wunsch der Befragten in mehrfacher Wortbedeut­ung erfüllen: Sie wären „botmäßig“.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria