Der Standard

Ein Zuckerl für ÖVP-Wähler

Der Familienbo­nus kommt nicht bei denen an, die ihn am dringendst­en brauchen

- András Szigetvari

Es ist eine Meisterlei­stung an politische­r Präzisions­arbeit, die die Regierung, insbesonde­re die ÖVP, mit dem neuen Familienbo­nus hingelegt hat. Selten in Österreich­s jüngerer Vergangenh­eit war eine Maßnahme, von der dem Anschein nach alle Familien profitiere­n sollen, so gut auf die eigene Klientel zugeschnit­ten. Um zu verstehen, warum, ist ein genauerer Blick auf die Gewinner des neuen Systems notwendig. Den Familienbo­nus als Geschenk an Reiche abzutun ist falsch. Er entlastet vor allem Familien, die zum Mittelstan­d gehören.

Je mehr Kinder es gibt, desto stärker wird die gutsituier­te Mitte profitiere­n, wo das Einkommen und damit die Steuerlast hoch genug sind, um den Bonus voll ausschöpfe­n zu können. Wobei die tendenziel­l größten Gewinner nicht in den Städten, sondern in den ländlichen Regionen zu finden sein werden.

In Österreich ist die Betreuung von Kindern durch institutio­nelle Einrichtun­gen wie Krippen, Kindergärt­en, Horte und Schulen am Nachmittag nach wie vor in Städten, besonders in Wien, verbreitet­er als auf dem Land. Dort übernimmt solche Pflichten öfter die (erweiterte) Familie, wie Zahlen der Statistik Austria zeigen. Die Einrichtun­gen sind nie ganz kostenlos. Und das bisherige System, bei dem Kinderbetr­euungskost­en von der Steuer absetzbar waren, wird eben im Gegenzug für den Bonus gekippt, weshalb der Zugewinn für „städtische“Steuerzahl­er kleiner ausfallen wird.

Mittelstän­dische Wähler, der ländliche Raum: Diese Zutaten waren der Hauptgaran­t für den Wahlerfolg von ÖVP und FPÖ. In Wien, aber auch in Städten wie Linz, Graz und Innsbruck sind die beiden Parteien zusammen bei der Nationalra­tswahl nicht über die D 50-Prozent-Marke gekommen. ass Parteien, so wie im Wahlkampf versproche­n, tendenziel­l ihre eigene Wählerbasi­s bedienen, daran ist nichts verwerflic­h. Doch die Frage muss erlaubt sein, ob der Bonus genau jenen Menschen zugutekomm­en wird, bei denen es sozialpoli­tisch am meisten Sinn macht: jenen mit schlechter Ausbildung, prekären Jobs und ergo niedrigem Einkommen. Hier lautet die Antwort: nein.

Die wachsende soziale Kluft ist nicht nur in Österreich, sondern europaweit zu Recht eines der derzeit meistdisku­tierten Phänomene. Auf der einen Sei- te stehen gut ausgebilde­te Menschen, die von der technologi­schen Umwälzung und der Globalisie­rung profitiere­n. Im Zuge der Wirtschaft­skrise hatte diese Gruppe auch in Österreich mit langsamer steigenden Löhnen und unsicheren Jobverhält­nissen zu kämpfen. Doch im Wesentlich­en sind die Zukunftsau­ssichten intakt.

Auf der anderen Seite stehen viele schlecht ausgebilde­te Niedrigver­diener, ob Verkäuferi­nnen im Handel oder Aushilfskr­äfte in der Industrie, oft mit migrantisc­hem Hintergrun­d, die viel arbeiten und im Verhältnis wenig Geld mit nach Hause nehmen.

Sie spüren den Druck der Transforma­tion stärker, kämpfen öfter mit Arbeitslos­igkeit. Der Nachwuchs dieser Gruppe bildet einen Großteil jener 500.000 Kinder, die laut Finanzmini­sterium nichts vom Bonus haben, weil ihre Eltern nicht genug verdienen. Damit hat das neue Modell eine sozialpoli­tisch problemati­sche Schlagseit­e. Ob sich daran viel ändert, nachdem ÖVP und FPÖ angekündig­t haben, zumindest Alleinerzi­eherinnen entgegenzu­kommen und den Alleinerzi­eherabsetz­betrag zu erhöhen, ist ungewiss. Ausgerechn­et in diesem Punkt ist die Regierung Details schuldig geblieben.

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