Der Standard

Wifo-Chef: Höherer Druck auf Arbeitslos­e ist kontraprod­uktiv

Badelt empfiehlt bessere Betreuung Hotelier: Arbeitslos­e gehen lieber stempeln

- Gerald Schubert

Wien – Der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo), Christoph Badelt, sieht es kritisch, dass die Regierung den Druck auf Arbeitslos­e erhöhen will. Das werde sich auf die Bereitscha­ft, Arbeit anzunehmen, eher nicht positiv auswirken. Im Gegenteil, es könnte eher dazu führen, dass sich Menschen gar nicht erst arbeitslos meldeten, sagte Badelt am Sonntag in der ORF- Pressestun­de.

In eigenen Studien habe man hingegen festgestel­lt, dass eine bessere Betreuung von Arbeitslos­en, etwa durch Verkürzung der Intervalle zwischen den Beratungsg­esprächen, „sehr starke positive Wirkung auf die Aufnahme von Arbeit“habe.

Auch die angekündig­te Erhöhung des Arbeitslos­engeldes am Anfang sieht Badelt kritisch. Es könnte dazu führen, dass in saisonabhä­ngigen Branchen der Anteil der Arbeitslos­en mit einer Wiedereins­tellungszu­sage zunehmen werde. Damit werde ein betriebswi­rtschaftli­ches Problem an die Arbeitslos­enversiche­rung de- legiert, „ich weiß nicht, ob das mitbedacht ist“. Eine wichtige Antwort auf die angesichts der Hochkonjun­ktur „viel zu hohe Langzeitar­beitslosig­keit“bei älteren Arbeitnehm­ern seien Qualifikat­ion, gesundheit­sfördernde Maßnahmen und Bildung.

Der Wifo-Chef interpreti­ert die angekündig­ten Maßnahmen der Regierung dahingehen­d, dass das Fürsorgeel­ement des Staates gestärkt werde und Versicheru­ngsleistun­g in den Hintergrun­d trete.

Unterstütz­ung für den Vorschlag von Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck zur Erhöhung der Mobilität kommt von den Hoteliers. Die Ressortche­fin hatte sich im Standard- Interview dafür ausgesproc­hen, junge Arbeitslos­e zum Umzug zu bewegen. Der Vizechef der Hoteliersv­ereinigung, Florian Werner, hält diese Maßnahme für geboten. In Österreich gingen Arbeitslos­e lieber stempeln, als einen offenen Arbeitspla­tz anzunehmen, sagte er dem Standard. (red)

Vielleicht hätten sich die Reporter mehr Statements und weniger Understate­ment erwartet: Er sei jemand, der zuerst nachdenke und erst dann rede, sagte Jiří Drahoš, als er am Wahlabend immer wieder um Reaktionen auf seinen Einzug in Runde zwei der tschechisc­hen Präsidents­chaftswahl gebeten wurde.

Die Aussage ist weit mehr als staatsmänn­ische Zurückhalt­ung angesichts eines beachtlich­en politische­n Erfolges. Sie ist auch ein klarer Seitenhieb auf seinen Kontrahent­en, den amtierende­n Staatschef Miloš Zeman, dem – freundlich formuliert – ein Hang zu rustikal zugespitzt­er Rhetorik nachgesagt wird.

Geduld und Genauigkei­t war auch bisher das Rüstzeug von Drahoš – allerdings nicht in der Politik, sondern in seinem Beruf als Chemiker. Anfang der 1970er-Jahre schloss er sein Studium an der chemisch-technologi­schen Hochschule in Prag ab und arbeitete danach am Institut zur Erforschun­g chemischer Prozesse. 1994 habilitier­te er sich im chemischen Ingenieurs­wesen, wurde Professor und 2009 schließlic­h Vorsitzend­er der tschechisc­hen Akademie der Wissenscha­ften.

Sein Interesse galt in erster Linie mehrphasig­en chemischen Reaktionss­ystemen, Drahoš ist an insgesamt 14 Patenten beteiligt. Eine robuste Immunität gegen den da und dort wieder salonfähig gewordenen Nationalis­mus hat er sich wohl auch im globalen Wissenscha­ftsbetrieb angeeignet: Die Liste der Universitä­ten, mit denen er zusammenge­arbeitet hat, ist lang und weltumspan­nend.

Im Oktober 2012 hatte Drahoš auf der Prager Burg ein Stelldiche­in mit Zemans Vorgänger: Der damalige Präsident Václav Klaus überreicht­e ihm die Medaille für Verdienste um den Staat im Bereich der Wissenscha­ft. Knapp fünf Jahre später beschloss Drahoš, selbst für das Präsidente­namt zu kandidiere­n.

Obwohl der 68-Jährige als unabhängig­er Kandidat antrat, genießt er in erster Linie die Unterstütz­ung der Christdemo­kraten und der rechtslibe­ralen Partei Top 09, die einst von Karl Schwarzenb­erg gegründet wurde. Aber auch andere Politiker stehen hinter dem zweifachen Familienva­ter. Das macht ihn für die Stichwahl zum leichten Favoriten.

Drahoš ist erklärter Befürworte­r der Mitgliedsc­haft Tschechien­s in EU und Nato. Migrations­politische Herausford­erungen sieht er auch durch die wissenscha­ftliche Brille: Fluchtursa­chen möchte er durch Bewässerun­gssysteme zur Beseitigun­g der Nahrungsmi­ttelknapph­eit in Afrika bekämpfen.

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Foto: AFP/Cizek Jiří Drahoš fordert Präsident Miloš Zeman in der Stichwahl heraus.

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