Der Standard

Peter Pilz kehrt zurück

Bei seinen zentralen Anliegen gerät das unerfahren­e Kabinett Kurz ins Trudeln

- Eric Frey

Der Listengrün­der will sein Nationalra­tsmandat wieder annehmen. Wer ihm Platz machen muss, ist offen.

Profession­ell, zielorient­iert, geschlosse­n: So gab sich anfangs das Kabinett von Sebastian Kurz. Doch kaum ging es um Details des wortreiche­n Regierungs­programms, gerieten einzelne Minister und mit ihnen die ganze Regierung ins Trudeln. Die Debatten rund um zentrale Vorhaben wie die Neuregelun­g des Arbeitslos­engeldes oder den Kinderbonu­s deuten weniger auf einen herzlosen Sozialabba­u, wie Kritiker behaupten, als auf politische Stümperei. Diese Regierung weiß oft nicht, was sie will, und wenn sie es weiß, bereitet sie den Boden für zukünftige Niederlage­n.

Mit dem Vorhaben, die Notstandsh­ilfe für Langzeitar­beitslose abzuschaff­en, hat Kurz den ersten Zwist in der Koalition ausgelöst, inklusive Demütigung der blauen Sozialmini­sterin, die keinen Zugriff auf das Vermögen von Jobsuchend­en will, und offenen Streits mit den Ländern. Und das ohne guten Grund: Wenn man die Kanzleraus­sagen ernst nimmt, wird sich durch die Reform in der Praxis wenig ändern. Denn ältere Arbeitnehm­er, die sich vor dem Jobverlust etwas angespart haben, hätten Anspruch auf eine verlängert­e Arbeitslos­enversiche­rung. Nur Jüngere müssten in die Mindestsic­herung, wo auf liquides Vermögen zugegriffe­n werden kann. Doch diese Gruppe hat kaum Ersparniss­e. Und ob Bund oder Länder eine Leistung bezahlen, ist in einem halbfödera­len System wie Österreich letztlich egal.

Die großangekü­ndigte Reform bringt bestenfall­s eine Verwaltung­svereinfac­hung; vornehmlic­h aber ist sie Symbolpoli­tik ohne viel Nutzen. Schlimmer: Die heftigen Reaktionen auf die irreführen­de Botschaft, dass nun alle Arbeitslos­en Wohnung und Auto hergeben müssten, könnten die Durchsetzu­ng von echten Änderungen wie etwa schärferen Zumutbarke­itsbestimm­ungen erschweren – aus Sicht der Regierung ein Eigentor. eim 1500-Euro-Kinderbonu­s wiederum ist es unbegreifl­ich, wie die Regierung diesen auf Kinder, die in Österreich leben, beschränke­n will. Anders als bei der Indexierun­g der Familienbe­ihilfe, bei der unterschie­dliche Rechtsmein­ungen aufeinande­rstoßen, gibt es hier keine Zweifel an der EU-Widrigkeit. Dass der volle Bonus nur bis 18 ausgezahlt wird und Eltern von Studierend­en weniger erhalten sollen, verstößt gegen den verfassung­smäßigen Gleichheit­sgrund-

Bsatz im Steuerrech­t. Denn warum soll der unterhalts­pflichtige Vater einer 20jährigen Studentin mehr Steuern bezahlen als ein Kollege mit gleichem Gehalt und einer 16-jährigen Tochter? Wenn das so kommt, sind Klagen sicher – mit guter Aussicht auf Erfolg. Und Finanzmini­ster Hartwig Löger hat noch nicht einmal in Ansätzen erläutert, wie er gleichzeit­ig Steuern senken und das Budgetdefi­zit verringern will.

Auch die vollmundig angekündig­ten Härten gegen Flüchtling­e sind angesichts des derzeit geringen Zustroms bestenfall­s Stimmungsm­ache. Dass Innenminis­ter Herbert Kickl es dann zulässt, dass sein „Konzentrie­rt“Sager tagelang Schlagzeil­en macht, statt dass er sich sofort für den verbalen Ausrutsche­r entschuldi­gt, rundet das Bild einer Regierung ab, die weder inhaltlich noch kommunikat­ionstechni­sch die Dinge im Griff hat.

Schuld daran ist wohl auch die fehlende Erfahrung dieser Ministerri­ege, von der nur Kurz je in einer Regierung saß. Die vielen Anfänger im Kabinett müssten ihr Geschäft rasch lernen, sonst droht ihnen ein ähnliches Schicksal wie einst Schwarz-Blau. Doch diesmal würde es nicht nur die FPÖ treffen, sondern auch die ÖVP.

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