Proteste gegen Regierung
Weit mehr Menschen als vorhergesehen nahmen am Samstag in Wien an einer Demonstration gegen Rechtsextremismus und Verschärfungspläne der neuen Bundesregierung teil. Kritisiert wurden Rassismus und der angepeilte Sozialabbau.
Ein starkes Lebenszeichen gab die regierungskritische Zivilgesellschaft bei der Großdemo am Samstag von sich.
Wien–Dass Demonstration s organisatoren und Polizei rückblickend recht unterschiedliche Angaben zu der Zahl mit demonstrierender Menschen machen, hat Tradition – in Österreich ebenso wie woanders. Nach der am Samstag in Wien stattgefunden habenden „Großdemo gegen SchwarzBlau“klafften die Schätzungen aber besonders stark auseinander.
Von 70.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern sprachen die Organisatoren, von 20.000 die Sicherheitsbehörden– wobei ein Sprecher des Innenministeriums die offizielle Zahl am Sonntag nach Standard- Rückfrage auf 30.000 erhöhte. Tatsächlich war am Samstag im Getümmel beim Demo-Treffpunkt vor dem Westbahnhof in der Mariahilfer Straße nicht genau auszumachen, wer mitmarschieren und wer bloß zuschauen wollte. Doch nachdem die Spitze des aus einer Vielfalt junger, älterer, grüner, sozialdemokratischer, linker, autonomer Personen und Gruppen bestehenden Demonstrationszugs den Ring erreicht hatte, waren am 1,8 Kilometer entfernten oberen Ende immer noch nicht alle Demonstranten losgegangen.
Gewalttätige Ausschreitung gab es nicht. Im maximal 200 Personen starken schwarzen Block wurden ein paar bengalische Feu- er gezündet, was das nebelige Wetter zusätzlich verdüsterte.
„Für Wiener Verhältnisse war das eine beachtlich große Demonstration“, sagt die Schriftstellerin und ehemalige ORF-Journalistin Susanne Scholl. Sie schätzt die Teilnehmerzahl auf rund 40.000 und spricht von einer „sehr aktiven Mobilisierung“in sozialen Medien durch Unterstützer und Organisatoren. Letztere, drei parteiungebundene linkspolitische Zusammenschlüsse, kämen „dem starken Bedürfnis nach parteipolitisch nicht involvierter Politik in den kritisch gesinnten Kreisen der Bevölkerung entgegen“, sagte Scholl zum Standard.
Zudem sei „das Unbehagen angesichts der Pläne der neuen Bundesregierung für soziale und ausländerpolitische Verschärfungen größer als bisher angenommen. Bei der Abschlusskundgebung auf dem Heldenplatz sprach Scholl für die nach der Nationalratswahl am 15. Oktober 2017 gegründete Gruppe „Omas gegen Rechts“. Anfangs sei das eine Handvoll Frauen gewesen, jetzt gebe es „hunderte, die mitmachen wollen“.
Botschaft von Kickls Cousine
Bei der Auftakt- und der Schlusskundgebung sprachen Vertreter der Österreichischen HochschülerInnenschaft, der Volkshilfe und des Schulstreiks, der Sozialdemokratischen GewerkschafterInnen sowie von Asyl in Not. Auch eine Grußbotschaft von Daniela Kickl, Cousine von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ), wurde verlesen. Darin kritisiert sie die „billigen Sprüche“der Regierung. Man solle „nicht dulden, dass der kleine Mann noch kleiner gemacht wird“.
Gewerkschafter Axel Magnus kritisierte auf der kleinen Bühne auf dem Heldenplatz den „erzreaktionären Umbau unserer Gesellschaft“. „Widerstand“skandierten am Ende Tausende und schufen ein Lichtermeer mit ihren Handydisplays. (bri, cms) Kommentar S. 20