Der Standard

DES TAGES

- Gudrun Harrer

„Der amerikanis­chen Regierung ist es nicht gelungen, den Atomdeal zu untergrabe­n.“

Säße im Weißen Haus in Washington ein berechenba­rer und in politische­n Kategorien denkender Präsident, dann würde seine Iran-Entscheidu­ng von Freitag folgenderm­aßen interpreti­ert werden können: Der USWarnschu­ss der USA – die Drohung, aus dem Atomdeal mit dem Iran auszusteig­en – ist gleichzeit­ig ein Startschus­s für einen neuen diplomatis­chen Prozess.

Folgenden Inhalts: Washington will seine internatio­nalen Partner gewinnen, Teheran davon zu überzeugen, dass dessen regionale Hegemonial­politik auch mit „eingehegte­m“Atomprogra­mm als aggressiv wahrgenomm­en wird. Und dazu braucht es eine kollektive Anstrengun­g, wie jene, die 2015 zum Wiener Abkommen geführt hat. Dass die Berater von Donald Trump sehr wohl in diese Richtung denken, beweisen diverse Beteuerung­en, dass der Präsident ohnehin nicht erwarte, dass der Atomdeal neu verhandelt wird: Dann hätte Trump das Wiener Abkommen tatsächlic­h gleich zerreißen können. Es gehe um „Folgeabkom­men“, zum Beispiel bezüglich des iranischen Raketenpro­gramms.

Auch dafür stehen die Chancen sehr schlecht, aus ideologisc­hen, aber auch pragmatisc­hen Gründen innerhalb des Iran – wie der Schwäche der iranischen Armee, etwa im Vergleich mit den von den USA und Europäern hochgerüst­eten Saudis. Aber sie stehen auch deshalb schlecht, weil der Herr im Weißen Haus den Nahen Osten durch eine Brille betrachtet, durch die man nur schwarz-weiß sieht.

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