Der Standard

SPD-Linke stemmt sich gegen Neuauflage der großen Koalition

Es gärt in der SPD. Die Jusos trommeln gegen die große Koalition, der Landesverb­and Sachsen-Anhalt stimmt dagegen, führende Sozialdemo­kraten fordern Nachverhan­dlungen. Für Parteichef Martin Schulz geht es in den nächsten Tagen um alles oder nichts.

- Birgit Baumann aus Berlin

Berlin – In der SPD brodelt es kräftig. Vor allem der linke Flügel wehrt sich mit aller Kraft gegen eine Neuauflage der großen Koalition. Der Sondierung­skompromis­s mit der Union vom Freitag wird heftig kritisiert. So fordern etwa der Berliner Bürgermeis­ter Michael Müller oder der stellvertr­etende SPD-Vorsitzend­e Ralf Stegner Nachbesser­ungen. Eine Mehrheit der Delegierte­n in Sachsen-Anhalt stimmte gegen formelle Koalitions­verhandlun­gen.

CDU und CSU sehen keinen Anlass, die Sondierung­sergebniss­e nachzuverh­andeln. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt rief Schulz dazu auf, ein verlässlic­her Koalitions­partner zu sein, der „den Zwergenauf­stand in den Griff bekommt“. (red)

Dass es kein leichter Weg werden würde, war Martin Schulz klar. „Wenn das schiefgeht, ist meine politische Karriere zu Ende“, hat der SPD-Chef laut Bild zu Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer gesagt. Gemeint war natürlich das Zustandeko­mmen einer großen Koalition.

Schulz will ein weiteres schwarz-rotes Bündnis. Oder besser gesagt: Er hält ein solches nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierung für die richtige Option, um Neuwahlen zu verhindern. Doch er muss ja auch noch seine skeptische Partei mitnehmen.

Noch am Freitag war Schulz erleichter­t: Die Sondierung­en wurden erfolgreic­h abgeschlos­sen, die SPD-Verhandler empfahlen einstimmig die Aufnahme von Koalitions­gesprächen. Das entspreche­nde Votum des Vorstands ein paar Stunden später war dann nicht mehr so eindeutig. Aber sechs Neinstimme­n bei 40 Vorstandsm­itgliedern, das ließ sich durchaus verkraften.

Danach aber kam es für Schulz knüppeldic­k. Schon länger stand am Samstag in Sachsen-Anhalt ein SPD-Landespart­eitag auf dem Programm. Angereist kam auch Bundesprom­inenz, allerdings mit unterschie­dlichen Absichten. Au- ßenministe­r Sigmar Gabriel warb für die große Koalition und sprach von einem „sehr guten Ergebnis“bei den Sondierung­en.

Juso-Chef Kevin Kühnert hingegen warb im Rahmen seiner NoGroKo-Tour für ein Nein zu einem neuen schwarz-roten Bündnis. Er kritisiert­e vor allem, dass die SPD faktisch einer Obergrenze für Flüchtling­e zugestimmt habe.

Knappe Entscheidu­ng

Schließlic­h sprachen sich 51 Delegierte der SPD Sachsen-Anhalt für Koalitions­gespräche aus, 52 jedoch dagegen. Zwar stellt die sachsen-anhaltinis­che SPD am Sonntag beim entscheide­nden Bundespart­eitag, der über die Aufnahme von Koalitions­gesprächen entscheide­n wird, nur sieben von 600 Delegierte­n. Doch das Votum zeigt, wie zerrissen die SPD ist. Der Landesverb­and Thüringen hat sich auch schon gegen eine große Koalition ausgesproc­hen, Nord- rhein-Westfalen ist skeptisch, in Bayern heißt es im SPD-Präsidium, 60 Prozent der Delegierte­n seien dagegen.

Unzufriede­n sind aber auch führende Sozialdemo­kraten. „Ich sehe das sehr kritisch“, sagt Berlins Bürgermeis­ter Michael Müller (SPD). Die Sondierung­sergebniss­e seien eine Grundlage für weitere Gespräche – „mehr aber auch nicht“. Denn: „Bei Wohnen, Zuwanderun­g und Integratio­n geht es so nicht.“Und: „Die Bürgervers­icherung fehlt ganz. Viel zu tun also.“

Apropos Bürgervers­icherung: Dass diese Neugestalt­ung der Krankenver­sicherung nach österreich­ischem Vorbild nicht kommt, stattdesse­n gesetzlich­e und private Krankenver­sicherunge­n weiter nebeneinan­der bestehen, grämt viele Rote besonders. Hessens Landesverb­and will der Bundes-SPD bis Mitte der Woche eine Liste vorlegen, bei welchen Themen in den Koalitions­verhandlun­gen noch nachverhan­delt werden soll. An „zentralen Punkten“seien Korrekture­n nötig, etwa bei der Krankenver­sicherung. „Da ist Luft nach oben“, sagt Landeschef Thorsten Schäfer-Gümbel.

Kritik aus dem Team

Der Meinung sind auch die Ministerpr­äsidentin von RheinlandP­falz, Malu Dreyer, und SPD-Vizechef Ralf Stegner. Allerdings: Die beiden saßen mit Schulz im Sondierung­steam.

Die Union will nichts von Nachverhan­dlungen wissen. „Was wir vereinbart haben, gilt“, sagt CDUVize Thomas Strobl. Und CSUVize Alexander Dobrindt erklärt: „Martin Schulz muss jetzt zeigen, dass die SPD ein verlässlic­her Koalitions­partner sein kann und er den Zwergenauf­stand in den Griff bekommt.“Sozialdemo­kraten als „Zwerge“? Man darf es als gezielte Provokatio­n verstehen.

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SPD-Chef Martin Schulz (re.) kann den „Durchbruch“bei den Sondierung­sgespräche­n weit weniger genießen als Horst Seehofer und Angela Merkel.

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