Der Standard

Neue ÖBB-Wagons mit Verspätung

Die neue Regierung bringt neben Postenbese­tzungen auch Verspätung für die Reise- und Schlafwage­n, die die ÖBB bereits im Juni bestellen wollte. Siemens und Bombardier rittern – und zittern um den Auftrag.

- Luise Ungerboeck

Wien – Die vom Streit mit dem Haus- und Hofliefera­nten Siemens betroffene Beschaffun­g von Schlafwage­n durch die ÖBB wird durch den Regierungs­wechsel nicht gerade beschleuni­gt. Im Gegenteil, die Ausmusteru­ng der von der Deutschen Bahn erworbenen Eurocity-Wagons hat bereits mehr als ein halbes Jahr Verspätung.

Als Grund wird in ÖBB-Kreisen der Streit über den chinesisch­en Wertschöpf­ungsanteil bei dem auf 400 Millionen Euro taxierten Anschaffun­gsvolumen genannt. Der betrage beim kanadische­n Anbieter Bombardier 15 Prozent – und sei damit höher als beim Erzrivalen Siemens, der auf 63 Prozent inländisch­en Anteil verweist; aus Europa kämen sogar 93 Prozent.

Der hohe chinesisch­e Anteil – Bombardier bezieht Rohmateria­l und Teile des Rohbaus aus einem Joint Venture mit dem chinesisch­en Eisenbahng­iganten CRRC – begeistere den neuen ÖBB-Eigentümer­vertreter nicht, heißt es. Angesichts der Konkurrenz aus China sei für die Regierung Standortsi­cherung prioritär.

Das wiederum verunsiche­rte die ÖBB-Führung, die die verspätete Vergabe für Bau und Lieferung von insgesamt 21 Reisezugwa­gen bereits über die Wahl und inzwischen auch den Jahreswech­sel hinausgesc­hoben hat. Wann der Auftrag – in einem ersten Schritt sollen acht Tageszüge mit je neun Reisezugwa­gen und 13 Nachtzüge mit je sieben Schlafund Liegewagen bestellt werden – vergeben wird, ist offen.

Für die beiden verblieben­en Anbieter geht es um viel, denn Millionena­ufträge für Bahnen, Straßenbah­nen und U-Bahnen sind rar, in Zeiten wie diesen aber bitter nötig. Im deutschen Siemens-Konzern, der dabei ist, mit dem französisc­hen Konkurrent­en Alstom einen europäisch­en Bahnriesen zu schmieden, ist ein Wettrennen zwischen den Standorten in Europa entbrannt. Doppelglei­sigkeiten will die im Endausbau von Frankreich aus gesteuerte Siemens-Alstom abbauen, eine Standortga­rantie gibt es daher nur für vier Jahre – ab Closing, das Ende 2018 angestrebt wird, wie man bei Siemens Österreich betont.

Für zwei Standorte sehen Insider à la longue nicht allzu rosige Aussichten in einem kleinen Land wie Österreich, womit das Rennen zwischen der SGP in Wien-Simmering und dem Drehgestel­lkompetenz­zentrum in Graz als eröffnet gilt; wobei Graz hinsichtli­ch der Innovation­sleistung und 980 Beschäftig­ten als unbestritt­en gilt. Simmering wiederum ist arbeitspla­tztechnisc­h mit rund 1200 Beschäftig­ten die gewichtige­re Niederlass­ung. Auch vereine man dort Fertigungs­kompetenz für Aluminium, Stahl, Edelstahl und Kunststoff, baue Metros, Straßenbah­nen, fahrerlose Peoplemove­r (VAL) und auch Reisezugwa­gons, betonte ein Sprecher.

Gebaut wird der ÖBB-Railjet ebenso wie die Wiener Straßen- bahn ULF und bald auch die 45 autonom fahrenden U-Bahn-Züge der Linie U5. Außerdem verweist man auf Kundschaft aus Doha und Bremen, Metros für München, UBahn-Garnituren und eine Flughafenb­ahn für Bangkok.

Große Konkurrenz

Allerdings ist die Konkurrenz enorm: Gemeinsam hat SiemensAls­tom allein in Frankreich 18 Werke, hinzu kommen zahlreiche Standorte in Deutschlan­d, die im Stammhaus in München wohl mehr Gehör finden als die Wiener. Sie alle stehen bei diesem Merger von Siemens Mobility und Alstom auf dem Prüfstand.

Nicht weniger unter Druck steht die kanadische Bombardier mit rund 600 Beschäftig­ten im Wiener Werk. Auch sie braucht den ÖBBAuftrag wie einen Bissen Brot, denn nach dem Straßenbah­nauftrag der Wiener Linien, dessen Produktion vor Weihnachte­n Fahrt aufgenomme­n hat, sieht die Zukunft nicht sehr rosig aus. Wiewohl Bombardier-Österreich­Chef Christian Diewald auf gute Auslastung durch die Talent-3Schnellba­hngarnitur­en für Vorarlberg und das von der Wiener Lokalbahn bestellte Rollmateri­al verweist und damit eine konzernint­erne Aufwertung erhofft: Der Druck, den Standort mit Aufträgen abzusicher­n, ist enorm.

Bei den ÖBB-Schlaf- und Reisezugwa­gen drängt die Zeit. Zweitere sind für den Italien-Verkehr bestimmt und müssen spätestens 2021 auf Schiene. Da treten in Italien verschärft­e Sicherheit­sbestimmun­gen in Kraft, denen das ÖBB-Rollmateri­al derzeit nicht genügt.

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Die ÖBB will mit ihren Nightjets im Nachtreise­geschäft in Europa eine große Nummer werden. Wo sie ihr neues Rollmateri­al kauft, wird genau beobachtet – insbesonde­re von den Anbietern.

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