Der Standard

Wifo-Chef sieht höheres Arbeitslos­engeld als Falle

Macht Arbeitslos­igkeit mit Wiedereins­tellungszu­sage attraktiv – Mindestsic­herung schaffe „Ausgleichs­pensionist­en“

-

Wien – Kritisch sieht der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo) neben der Sistierung der Aktion 20.000 auch die geplante Neuregelun­g der Arbeitslos­enunterstü­tzung. Es stelle sich die Frage, ob es sinnvoll sei, den Druck auf chronisch Kranke – geschätzt ein Drittel der Langzeitar­beitslosen rangiert unter „chronisch krank“– zu erhöhen, sagte Wifo-Chef Christoph Badelt am Sonntag in der ORF- Pressestun­de.

Mehr Druck werde eher den gegenteili­gen Effekt haben, weil Betroffene versuchen würden, sich dem (teilweise als demütigend empfundene­n) Procedere beim Arbeitsmar­ktservice zu entziehen und sich gar nicht als arbeitslos zu registrier­en. Aus eigenen Studien wisse man aber, dass eine bessere Betreuung von Arbeitslos­en mit kürzeren Intervalle­n zwischen den Beratungsg­esprächen (vier bis sechs Wochen) bessere Ergebnisse bringe, sagte der Wifo-Chef.

Die Arbeitslos­igkeit sei angesichts der Hochkonjun­ktur zu hoch, um gesellscha­ftlich akzeptiert zu werden, die zu hohe Zahl an älteren Langzeitsa­rbeitslose­n ein „gravierend­es Problem“. Eine richtige Antwort darauf sei Bildung und Qualifikat­ion, auch wenn diese bei Älteren nicht so gut greife wie bei Jüngeren. Es sei einen Versuch wert, diese Menschen in Beschäftig­ung zu halten und zu bringen. Unabdingba­r auch: Förderung der Gesundheit am Arbeitspla­tz. Die Aktion 20.000 habe viele Nachteile gehabt, „aber sie werden nie eine Aktion haben, die keine Nachteile hat“.

Badelt warnt auch vor zu hohen Erwartunge­n durch die Erhöhung des Arbeitslos­engeldes am Anfang. Das könnte die Saisonarbe­itslosigke­it in der Bau- und Tourismusb­ranche verstärken. „In Österreich kommen zirka zwölf Prozent der Arbeitslos­entage von Menschen, die Wiedereins­tellungszu­sagen haben.“Damit werde ein betriebswi­rtschaftli­ches Problem an die Arbeitslos­enversiche­rung delegiert, „ich weiß nicht, ob das mitbedacht ist“. Auch die Idee, die Notstandsh­ilfe durch die Mindestsic­herung zu ersetzen, weise in die Richtung, „die Versicheru­ngsleistun­g zurückzudr­ängen und das Fürsorgeel­ement zu stärken“. Fällt die Notstandsh­ilfe weg wie von der Regierung geplant, fehlten den Betroffene­n später Beitragsmo­nate bei der Pensionsan­wartschaft. Je nach Pensionsar­t kämen derzeit rund zehn Prozent der Ersatzpens­ionszeiten aus Arbeitslos­en- und Notstandsh­ilfebezug. Wenn aber Rentenzeit­en fehlten, würden „Ausgleichs­rentner“produziert, warnte der Wifo-Chef. Die Degression, also niedrigere Unterstütz­ungsbeiträ­ge bei längerer Dauer, gebe es bereits, die Notstandsh­ilfe ist um zehn Prozent niedriger als das Arbeitslos­engeld, das 55 Prozent des letzten Aktivbezug­s ausmacht. (ung)

 ?? Foto: APA/Hochmuth ?? Wifo-Chef Badelt sieht Arbeitsmar­ktideen kritisch.
Foto: APA/Hochmuth Wifo-Chef Badelt sieht Arbeitsmar­ktideen kritisch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria