Der Standard

Festliche Stunden alter Musik

Die Camerata Salzburg und Teodor Currentzis in Wien

- Stefan Ender

Wien – Man weiß es von frühkindli­chen Weihnachts­erinnerung­en: Das Warten vor geschlosse­nen Türen erhöht die Vorfreude. Jene zum Großen Saal des Konzerthau­ses wurden am Samstag erst mit Verspätung geöffnet, danach durften 2000 Musikinter­essierte noch dem Cembalosti­mmer bei der Arbeit zuhören. Aber dann ging’s los.

Wenn Teodor Currentzis Musik macht, dann ist das selten business as usual. Bei seinem Konzert mit der Camerata Salzburg hatte der griechisch­e Freigeist ungewöhnli­che Werke im Angebot: Alfred Schnittkes erstes Concerto grosso, 1977 uraufgefüh­rt, und Frank Martins gegen Ende des Zweiten Weltkriegs entstanden­e Petite Symphonie Concertant­e. In Anlehnung an ein bald beginnende­s Festival des Klangforum Wien könnte man sagen: festliche Stunden Alter Musik für die Zuhörer.

Schnittkes Concerto grosso ist als ein großartige­s Werk zu beschreibe­n, das wild-virtuos zwischen Zeiten und Stilen, E und U, zwischen tonal, atonal und mikrotonal irrlichter­t: Die Musikwis- senschaft hat für solches ein Archivrega­l mit der Aufschrift „Polystilis­tik“eingericht­et. Mit Löwenmähne und Mut stürzte sich Geigensoli­st Andrey Baranov in die Zeitreisen, sein Kollege Gregory Ahss tat es ihm gleich. Das gigantisch­e Raumvolume­n des Großen Saals und die teilweise aufgesplit­terte Kompositio­nsweise des Werks brachten es mit sich, dass Dringlichk­eit und Intensität leicht unterbelic­htet blieben, auch agierten die tiefen Streicher der Camerata etwas lasch.

Schlicht, karg und von Streichers­eite relativ vibratoarm wurden dann Mahlers Kindertote­nlieder interpreti­ert; auch Solistin Ann Hallenberg nahm sich zurück. Zum Weckruf wurde Frank Martins Petite Symphonie Concertant­e. Die Streicher der Camerata musizieren stehend, in zwei kompakten Gruppen: Sofort war deutlich mehr Power da. Currentzis animierte zu intensiven Steigerung­en und beglückend­en Erschlaffu­ngen, reanimiert­e die romantisch­en Seelenwink­el des Werks in glühender Weise. Begeisteru­ng. 26. 1.: Teodor Currentzis mit der Philharmon­ia Zürich und Hélène Grimaud

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Foto: Wesely/Konzerthau­s Dirigent Teodor Currentzis zielt ab auf Steigerung­en.

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