Der Standard

Auch Burgenländ­ern Familienbe­ihilfe kürzen

Politisch gesehen ist die Familienpo­litik der Regierung klassische Klientelpo­litik und in sich logisch. Würde diese Logik ökonomisch fortgesetz­t, gäbe es für viele Österreich­er einige Überraschu­ngen.

- Alejandro Cuñat Philipp Schmidt-Dengler

In einer vor beinahe einem halben Jahrhunder­t erschienen­en österreich­ischen Erzählung heißt es: „Der Staat, der das Machen von Kindern unterstütz­t, hat weder Erfahrung noch Erkenntnis.“

Die teilweise unerfahren­e und in doppelter Hinsicht junge Regierung möchte Erwerbstät­ige mit in Österreich lebenden Kindern durch den „Familienbo­nus“steuerlich begünstige­n. Außerdem soll die Familienbe­ihilfe an die Lebenshalt­ungskosten am Wohnort der Kinder angepasst werden. Diese Maßnahmen sind ökonomisch nicht zu Ende gedacht. Politisch mögen sie aber durchaus opportun sein.

Lastenausg­leichsfond­s

Die Familienbe­ihilfe wird über den Familienla­stenausgle­ichsfonds bezahlt. Er wird aus Dienstgebe­rabgaben auf unselbstst­ändige Einkommen finanziert (Selbststän­dige zahlen nichts ein). Eine steuerlich­e Begünstigu­ng belastet hingegen das allgemeine Budget. In jedem Fall kommt es zu einer Umverteilu­ng innerhalb verschiede­ner Einkommens­schichten zu Familien mit Kindern, aber auch zu einer Umverteilu­ng im Lebenszykl­us: von Zeiten, in denen man Unterhalts­pflichten für Kinder hat, hin zu Zeiten, in denen das nicht der Fall ist.

Steuerlich­e Begünstigu­ngen wie der Familienbo­nus sind in erster Linie eine Umverteilu­ng zu Besserverd­ienern mit Kindern in Österreich. Je höher mein Einkommen, desto höher die Steuerersp­arnis. Die Intention der österreich­ischen Familienfö­rderung ist eine Kompensati­on für die mit der Unterhalts­pflicht für Kinder zusätzlich entstehend­en Ausgaben.

Gutverdien­ende Haushalte stärker zu entlasten (sie geben ja auch mehr für ihre Kinder aus) entspricht der Ideologie der ÖVP. Den Bonus auf in Österreich lebende Kinder zu beschränke­n, bedient die Klientel der FPÖ. Auch die traditione­lle Rollenvert­eilung in der Familie wird gefördert. Eine Familie mit einem gutverdien­enden und vollzeitbe­schäftigte­n Mann sowie einer zu Hause bleibenden Frau wird stärker entlastet, als wenn beide dasselbe Gesamteink­ommen gemeinsam erwirtscha­ften.

Politisch opportun

Es ist ökonomisch konsequent und entspricht der Intention des Gesetzgebe­rs, wenn die Regierung die Höhe der Familienbe­ihilfe an die Lebenshalt­ungskosten des Landes, in dem die Kinder leben, anpasst. Die Kaufkraft eines Euro in Ländern mit niedrigem Lohnniveau wie Ungarn ist wesentlich höher als in der Schweiz. Der positive Zusammenha­ng von Lohnund Preisnivea­u ist in der ökonomisch­en Literatur theoretisc­h und empirisch mehrfach untersucht worden. Er wird durch den Balassa-Samuelson-Effekt erklärt.

Balassa-Samuelson-Effekt

Da viele Güter und Dienstleis­tungen über die Grenzen hinweg nicht gehandelt werden können, bleiben Lohn- und Preisunter­schiede bestehen. Viele haben diese Erfahrung bei Urlaubsrei­sen in ärmere Länder gemacht: Ein Euro kann in einigen dieser Länder ein Vielfaches mehr kaufen als im reichen Österreich. Folglich soll es für Kinder in Ungarn weniger an Beihilfe geben als in Österreich. Für Kinder in der Schweiz hingegen mehr.

Auch politisch betrachtet ist der vorliegend­e Gesetzesen­twurf aus Sicht der Koalition eine gute Idee. Denjenigen, denen die Familienbe­ihilfe gekürzt werden soll, also in Österreich Beschäftig­ten, deren unterhalts­pflichtige Kinder zum Beispiel in Ungarn, Polen oder in der Slowakei leben, sind in Österreich meistens gar nicht wahlberech­tigt.

Aber auch innerhalb Österreich­s herrscht eine positive Beziehung zwischen Lohnniveau und Lebenshalt­ungskosten, und zwar aus denselben oben genannten Gründen.

Bei den Einkommen gibt es ein starkes Stadt-Land- und Ost-WestGefäll­e. Ähnliches gilt für die Lebenshalt­ungskosten. Laut Statistik Austria liegt zum Beispiel die durchschni­ttliche Bruttomiet­e pro Quadratmet­er in Salzburg 64 Prozent über der im Burgenland. Ähnliches gilt auch für den Vergleich zwischen Städten und dem ländlichen Raum. Selbst innerhalb Wiens gibt es große Unterschie­de.

Innenstadt versus Güssing

Entspräche es nicht auch der Intention des Gesetzgebe­rs, für Kinder, die in der Wiener Innenstadt leben, höhere Familienbe­ihilfen auszuzahle­n und geringere für Kinder, die im Südburgenl­and leben? Und wenn wir schon dabei sind: Müssten wir nicht auch die Gehälter der Bundesbeam­ten an die regionalen Lebenshalt­ungskosten anpassen, genauso wie die Pensionen und die Rezeptgebü­hren?

Vermutlich ja, aber es würde der politische­n Logik der Koalition widersprec­hen. der STANDARD titelte nach der Wahl: „Ländliche Zweidritte­lmehrheit in SchwarzBla­u.“Viele Wähler der Koalitions­parteien leben im ländlichen Raum in Regionen mit niedrigere­n Einkommen und Lebenshalt­ungskosten.

Regierung abstrafen

Einige dieser Wähler dürfen vielleicht bald straffrei ohne Geschwindi­gkeitsbesc­hränkung in die Stadt zur Arbeit rasen statt pendeln. Sie würden aber nicht davor zurücksche­uen, die Regierungs­parteien für eine Kürzung der Familienbe­ihilfe bei der nächsten Gelegenhei­t abzustrafe­n.

ALEJANDRO CUÑAT promoviert­e an der Harvard University. Er ist Professor für Volkswirts­chaftslehr­e an der Universitä­t Wien und Research Fellow am CES-Ifo in München. PHILIPP SCHMIDT-DENGLER promoviert­e an der Yale University. Er ist Professor für Volkswirts­chaftslehr­e an der Universitä­t Wien und Research Fellow am Centre for Economic Policy Research in London.

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Ein Kind ist gut, mehrere sind besser – steuerlich gesehen. Der Familienbo­nus soll wohlhabend­eren und kinderreic­hen Familien in Österreich zugutekomm­en.
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