Blaue sehen rote Linie noch nicht überschritten
Die Justiz ermittelt in der Nazi-Affäre rund um die Burschenschaft Germania. FPÖ-Chef Strache stellt sich hinter Udo Landbauer. Die ÖVP geht auf Distanz, fordert aber nicht den Rücktritt des blauen Landespolitikers.
Wien – So hat sich die Regierung die dieswöchige Ministerratssitzung nicht vorgestellt. Über die anstehenden Deutschförderklassen wollte man reden – doch die Medien interessierte am Mittwoch vor allem dieses Thema: welche weiteren Konsequenzen der blaue Spitzenkandidat von Niederösterreich, Udo Landbauer, ziehen soll, nachdem antisemitische und NSverharmlosende Lieder der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt bekanntgeworden sind – und bei der der bisherige Vizevorsitzende seine Mitgliedschaft fürs Erste „ruhend gestellt“hat.
Am Dienstag hatte der Falter über ein Liedheft aus dem Jahr 1997 berichtet, in dem die Wehrmacht verherrlicht wird und wo unter anderem zu lesen ist: „Da trat in ihre Mitte der Jude Ben Gurion: ‚Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.‘“Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt leitete von Amts wegen ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Verbotsgesetz ein. SPÖ, Neos und Grüne forderten Landbauer zum Rücktritt auf.
Rund um den Ministerrat war man zwar um unmissverständliche Abgrenzung bemüht, eine Rücktrittsaufforderung kam im Kanzleramt dennoch niemandem über die Lippen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache erklärte zur „Angelegenheit Niederösterreich“, wie er es nannte, dass es sich um ein „widerliches und antisemitisches Lied“handle. Den- noch ist der FPÖ-Chef der Ansicht, Landbauer habe bereits „sehr deutlich Stellung genommen“. Er hält dessen Version für plausibel, nur ein Exemplar des Liederbuches gekannt zu haben, in dem die Nazipassagen geschwärzt oder herausgerissen waren. „Ich glaube ihm, dass er das nicht kannte.“Daher ist für Strache klar: Landbauer habe die rote Linie „nicht über- schritten“, er „trägt keine Verantwortung“.
ÖVP-Chef Sebastian Kurz ging dem Thema lieber aus dem Weg – er stellte sich weder vor noch nach der Sitzung Journalistenfragen und zog es vor, die österreichischen Olympiateilnehmer zu verabschieden. Am Vortag hatte er getwittert: „Die publik gewordenen Liedtexte der Germania sind ras- sistisch, antisemitisch und absolut widerwärtig“, es brauche volle Aufklärung, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Dieses Wording wurde am Mittwoch in diversen Varianten wiederholt. Mehr gebe es dazu nicht zu sagen, so die Botschaft.
IKG fordert Rücktritt
Auch die von der FPÖ nominierte Außenministerin Karin Kneissl sah sich als unzuständig an, Konsequenzen einzumahnen: „Ich kann gar nichts fordern“, schließlich sei sie parteiunabhängig. Für die Israelitische Kultusgemeinde kann es hingegen nur einen Rücktritt Landbauers geben, wie Präsident Oskar Deutsch sagte. Wie berichtet, hatte sich die IKG bereits vor der aktuellen Causa entschieden, alle diesjährigen Gedenkveranstaltungen mit FPÖ-Beteiligung zu boykottieren. Nahezu jede Person, die in der FPÖ etwas zu sagen habe, sei zumindest beim Antisemitismus angestreift. Deutsch: „Wir sind nicht diejenigen, die gemeinsames Gedenken verhindern, das sind die Leute von der FPÖ.“
Die Germania ist jedenfalls mit sofortiger Wirkung vom Pennälerring suspendiert worden. Landbauer selbst versicherte via Ö1: „In meiner Anwesenheit sind solche Lieder nie vorgekommen. Ich habe niemals verwerfliche Lieder gesungen.“Mit umstrittenen Büchern war er aber bereits zuvor aufgefallen. 2010 soll er laut Profil um Spenden für ein Werk des rechtsextremen Vereins Junge Patrioten geworben haben, in dem ebenfalls Lieder aus der NS-Zeit enthalten sind. (go, nw)