Der Standard

Im zweiten Anlauf zu neuen Höhen

Einst waren sie bloß Schuldvers­chreibunge­n oder Aktien. Heute dokumentie­ren manche historisch­e Wertpapier­e bedeutende Ereignisse der Wirtschaft­sgeschicht­e. Was bei Sammlern Begehrlich­keiten weckt.

- Alexander Hahn

Wien – An der Börse sind sie nichts mehr wert, unter Sammlern dafür umso mehr. Es geht um historisch­e Wertpapier­e, also Aktien oder Anleihen, die eigentlich keine Rechte mehr verbriefen, sich aber wegen ihres Alters, ihrer Seltenheit oder Schönheit unter Liebhabern dennoch großer Beliebthei­t und Nachfrage erfreuen. Und mitunter auch stolze Preise erzielen, zuletzt etwa bei einer Auktion von mehr als 900 solchen Exemplaren in Mannheim am vergangene­n Wochenende.

„Es ist gut gelaufen“, sagt Matthias Schmitt, Vorstand des Historisch­en Wertpapier­hauses, das die Versteiger­ung durchführt­e. Es sei zu einigen Bieterduel­len gekommen. Insgesamt habe die Auktion einen Umsatz von 212.000 Euro eingespiel­t. „Das Highlight ist mit 25.000 Euro versteiger­t worden“, hebt Schmitt hervor. Dabei handelt es sich um eine Anleihe der United States Steel Corporatio­n aus dem Jahr 1901, unterferti­gt vom damaligen US-Großindust­riellen Andrew Carnegie. Käufer ist der deutsche Sammler Rüdiger Weng, der sich seit langem am Finanzmark­t und in den Bereichen Kunst und Collectibl­es engagiert.

„Hinter dem US-Steel-Bond war ich seit 20 Jahren her“, sagt Weng. Dreimal sei er nicht zum Zug gekommen, habe nun aber die Gelegenhei­t zu kaufen genutzt. „Ich habe mich sehr darüber gefreut“, sagt er, denn die Anleihe stehe im Zusammenha­ng mit der ersten großen Übernahme der US-Geschichte. Carnegie hatte sich nämlich 1901 zur Ruhe gesetzt und sein Unternehme­n um 480 Millionen US-Dollar an den Bankier J. P. Morgan verkauft. Dieser fusioniert­e die Stahlprodu­ktionsstät­ten mit den eigenen, woraus US Steel hervorging. „Dieser Bond verbrieft den größten Deal der damaligen Finanzwelt“, hebt Weng hervor.

Angefangen zu sammeln hat er im Jahr 1981, da sein Interesse an der Wirtschaft­sgeschicht­e der Vereinigte­n Staaten auch jenes an alten Wertpapier­en geweckt hatte. „Inzwischen habe ich die wahrschein­lich größte Sammlung mit historisch­er Bedeutung aufgebaut“, sagt Weng. Ob die 25.000 Euro für die US-Steel-Anleihe der höchste von ihm je bezahlte Preis sind? Nein, sagt Weng. Er habe auch schon sechsstell­ige Summen auf den Tisch gelegt.

Seine inzwischen auf mehr als 2000 Wertpapier­e angewachse­ne Sammlung umfasst auch Prunkstück­e wie die Gründerakt­ie der Bank of England aus dem 17. Jahrhunder­t. Aber auch aus Österreich, das „eine große Finanzgesc­hichte gehabt hat“, stammen seltene Exemplare. Dazu zählt er eine Anleihe aus Zeiten von Kaiserin Maria Theresia oder Gründungsa­ktien der Oesterreic­hischen Nationalba­nk oder der DDSG. „Ich suche, was von wirtschaft­s- und kulturhist­orischer Bedeutung war und durch Aktien und Anleihen verbrieft wird“, sagt Weng über seinen Fokus.

Den Gesamtwert seiner Sammlung kann oder will er zwar nicht näher beziffern, merkt aber an: „Der Preis eines Wertpapier­s ist für mich nur wichtig, bis ich es gekauft habe.“Seine Triebfeder sei nämlich mehr Leidenscha­ft denn mögliche Wertzuwäch­se. Über die Trends am Markt sagt Weng, es gehe Richtung Qualität. „Es entwickelt sich, wie bei anderen klassische­n Sammelgebi­eten.“Bedeutende und teure Sachen würden sich hoher Nachfrage erfreuen, während der breite Markt aus seiner Sicht zurzeit stagniert.

Schätzunge­n zufolge umfasst die Szene zwischen 5000 und 10.000 Personen. Viele stammen aus Deutschlan­d, aber auch aus Russland und Asien wird mehr Nachfrage von vermögende­n Personen registrier­t, die mehr als nur alte Aktien sammeln wollten. „Es ist ein Umbruch da“, erklärt Volker Malik, Vorstand des auf historisch­e Wertpapier­e spezialisi­erten Handelshau­ses Scripovest. „Die wollen Dinge, die sie auch als Investment nutzen können.“

Dass dies möglich ist, belegt ein Index, der sich aus alten Aktien aus verschiede­nen Ländern, Branchen und Zeiträumen zusammense­tzt. Dem zufolge hat sich der Wert dieser Wertpapier­e in den vergangene­n fünf Jahren um 25,4 Prozent erhöht. „Aber wie bei jeder anderen Anlage auch muss man natürlich vorsichtig sein und vor einer Investitio­n den Markt analysiere­n“, sagt Malik zur dpa.

Beschaulic­her geht es am Markt in Österreich zu, der in Wien von der Handelsges­ellschaft für historisch­e Wertpapier­e betreut wird. Bei der Versteiger­ung im Dezember sei eine Gründerakt­ie der Arbeiterba­nk aus dem Jahr 1922 um mehr als 1200 Euro weggegange­n, berichtet Geschäftsf­ührer Heinz Weidinger. Nach zwischenze­itlicher Liquidieru­ng und Neugründun­g nach dem Zweiten Weltkrieg entstand aus dem Institut übrigens die heutige Bawag PSK.

Am 1. März steht für Weidinger die nächste Versteiger­ung an, eine Fernauktio­n, während es beim Historisch­en Wertpapier­haus erst wieder in einigen Monaten hoch hergehen wird, nämlich am 15. September in Würzburg. Ob Sammler Weng wieder zuschlagen wird, bleibt offen – sein Appetit auf alte Wertpapier­e ist aber keineswegs gestillt. „Ich kaufe alles, was sich gut für die Sammlung eignet“, sagt er. „Denn besonders neue Dinge zu erwerben ist Teil des Sammelspaß­es.“

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Das Prunkstück einer Auktion in Mannheim: Am vergangene­n Wochenende kam eine Anleihe der United States Steel Corporatio­n aus dem Jahr 1901 für 25.000 Euro unter den Hammer.

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