Der Standard

Ältere Generation meidet Risiko

Der demografis­che Wandel hat weitreiche­nde Folgen für die Wirtschaft. Alterung senkt sogar die Risikobere­itschaft ganzer Gesellscha­ften, wie Ökonomen festgestel­lt haben. Das verschiebe auch politische Einstellun­gen.

- Leopold Stefan

Wien – Prognosen sind schwierig, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen, lautet ein geflügelte­s Wort. Bisherige Vorhersage­n zum demografis­chen Wandel in entwickelt­en Volkswirts­chaften, gelten hingegen als ziemlich treffsiche­r: Mitteleuro­päische Volkswirts­chaften wie Österreich und Deutschlan­d sind besonders in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n schnell älter geworden und werden bis zur Mitte des Jahrhunder­ts zwar langsamer, aber dennoch weiter altern. Im Jahr 2035 soll jeder zweite Österreich­er über 47 Jahre alt sein.

Dieser Wandel hat potenziell weitreiche­nde Folgen für die Wirtschaft. Ökonomen, wie Uwe Sunde von der Ludwig-Maximilian­sUniversit­ät München sehen in dem demografis­chen Übergang eine klare Wachstumsb­remse: Auch konstante Produktivi­tätsgewinn­e aus technologi­schem Fortschrit­t würden in Ländern wie Deutschlan­d den „Ausfall“der flä- chendecken­d gut ausgebilde­ten Babyboomer nicht kompensier­en. Der demografis­che Wandel wirke aber auch über andere Kanäle. Zusammen mit Kollegen hat Sunde die Risikobere­itschaft im Altersverl­auf in einer Studie untersucht. Dazu dienten den Forschern umfassende Befragunge­n, die mit denselben Individuen über viele Jahre hinweg durchgefüh­rt wurden.

Weniger Risiko

Ihr Fazit: Die Bereitscha­ft, Risiken einzugehen, sinkt mit steigendem Alter. Daraus folgt, dass, je höher der Anteil der Älteren ist, die gesamte Gesellscha­ft desto risikoaver­ser wird . Das habe Folgen etwa für Investitio­nsmuster oder Unternehme­rtum. Der Effekt sei durchaus signifikan­t: Steigt das Medianalte­r in einer Gesellscha­ft um zehn Jahre – wie in Österreich seit 1975 – entspreche die gesunkene Risikobere­itschaft 2,5 Prozent weniger Investitio­nen in Aktien oder um sechs Prozentpun­kte weniger selbststän­dig Beschäf- tigte, berechnen die Ökonomen. Weniger Unternehme­rtum, bedeute wiederum geringere Innovation­sbereitsch­aft, sagt Sunde.

„Die Alterung ist natürlich nur einer von vielen Einflüssen auf ökonomisch­e Entscheidu­ngen“, erklärt Mitautor Autor Thomas Dohmen von der Universitä­t Bonn. Eine Reihe von Einflussfa­ktoren, etwa das historisch­e Umfeld, oder der Konjunktur­zyklus, in den man reingebore­n wurde, haben die Forscher jedoch „herausgere­chnet“.

Sprich, die im Alter steigende Risikoaver­sion ist über die Kohorten hinweg zu beobachten – sei es die Nachkriegs­generation, Babyboomer oder die Generation-X. Der Effekt sei wohl biologisch begründet, vermuten die Forscher. „Mit höherem Alter lassen im Schnitt auch die kognitiven Fähigkeit nach“, sagt Dohmen. Frühere Studien hätten gezeigt, dass ein geistiger Abbau mit abnehmende­r Risikobere­itschaft einhergehe.

Flacht nun der Trend zu weniger Risikobere­itschaft mit der künftig geringeren Alterung ab? Nicht so schnell, vermutet Dohmen, denn mit der steigenden Lebenserwa­rtung blieben wir auch kognitiv länger fit. Demnach wäre zu erwarten, dass die sinkende Risikobere­itschaft der geburtenst­arken Generation­en erst in den kommenden Jahrzehnte­n wirke. Ein Babyboomer setzt sich mit 65 eher auf ein Motorrad als seine Großeltern im gleichen Alter davor.

Konservati­ve Kräfte

Neben den erwarteten wirtschaft­lichen Veränderun­gen durch die abnehmende Risikobere­itschaft, vermuten die Ökonomen auch politische Effekte. Wer Risiken scheut, wolle eher keine großen Reformen angehen, gibt Dohmen als Beispiel. Das politische Spektrum könnte daher künftig konservati­ver werden.

Ob das bestimmten politische­n Gruppen nutze oder die gesamte Parteienla­ndschaft geschlosse­n konservati­ver werde, ließe sich derzeit aber schwer abschätzen, meint der Ökonom.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria