Der Standard

Mark E. Smith 1957–2018

Der Chef der britischen Postpunk-Band The Fall ist im Alter von 60 Jahren gestorben

- Karl Fluch

Wien – Im Vorjahr twitterte die BBC ausgerechn­et am 60. Geburtstag von Mark E. Smith seine Todesmeldu­ng. Ein Irrtum, wie sich bald zeigte. Die BBC warf sich entschuldi­gend in den Staub, sprach von menschlich­em Versagen und gratuliert­e zum Ehrentag. Am Mittwoch ist Mark E. Smith tatsächlic­h gestorben. Der Chef von The Fall wurde 60 Jahre alt.

Seine letzten Konzerte absolviert­e er bereits im Rollstuhl, das Antlitz aufgedunse­n von Medikament­en, der Körper nach 40 Jahren unter Einfluss von Alkohol und Drogen angemessen gebrechlic­h. Dennoch trat er auf. Diese Sturheit war typisch für Smith, sie begleitete den am 5. März 1957 in Salford bei Manchester geborenen Musiker in den Rang eines britischen Nationalhe­lden.

Erarbeitet hat er sich diesen Status mit seiner Band. The Fall war eine der einflussre­ichsten und produktivs­ten Post-Punk-Formatione­n. Benannt nach dem in seinem Geburtsjah­r erschienen­en gleichnami­gen Buch von Albert Camus, veröffentl­ichten The Fall über 60 Studio- und Livealben. Gegründet 1976 unter dem Eindruck eines Konzerts der Sex Pistols, wuchs die Band zu einer Institutio­n an. Für den meist im Stil farbloser Sachbearbe­iter gekleidete­n Smith eröffnete Punk eine Möglichkei­t, abseits der Tretmühlen geistfreie­r Lohnarbeit zu leben.

Seine Musik orientiert­e sich weniger am Punk als an der repetitive­n Wirkmacht der deutschen Band Can. Smith trug mit tonloser Stimme seltsame Texte vor, die unter dem Einfluss der gerade von ihm konsumiert­en Literatur standen. Hinzu kamen sein Zynismus und misanthrop­ische Ausfälle bis hin zum Faustkampf. Darunter lit- ten vornehmlic­h Bandkolleg­en. An die 70 Musiker hat Smith im Laufe der Jahre gefeuert, er selbst war die einzige Konstante in The Fall. Legendär ist sein Satz: „If it’s me and your granny on bongos, it’s The Fall.“

Selbst befreundet­e Musiker und Kollaborat­eure waren nicht vor seinem Urteil sicher. Smith arbeitete mit den Gorillaz, Elastica, nahm mit dem deutschen Elektronik­duo Mouse On Mars als Von Südenfed auf oder grantelte an der Seite von Edwyn Collins durch den Song Seventies Night.

„Wir werden keine Freunde“

Zwar pflegte Smith als ehemaliger Dockarbeit­er eine Blue-Collar-Attitüde, gleichzeit­ig verstieg er sich gerne zu konservati­ven Meinungen, befeuert von, ja, Feuerwasse­r. Zu seinen größten Fans und Förderern zählte John Peel. „Wir hatten eine Abmachung“, sagte Smith einmal über die 2004 gestorbene Radiolegen­de: „Wir werden keine Freunde.“

Smith’ Unbeirrbar­keit brachte The Fall eine weltweite Fangemeind­e ein. In den 1980ern und 1990ern platzierte die Gruppe ihre Alben regelmäßig in den britischen Charts, auch etliche Singles punkteten dort, großen kommerziel­len Erfolg verbuchte Smith dennoch nicht. Wichtiger war das nächste Album. Dieses Arbeits- ethos bescherte den Fall-Heads fast jedes Jahr eine Platte. „Always the same, always different“, beschrieb John Peel diese einst ehrfürchti­g. Zu den besten Arbeiten der Band zählen Alben wie Hex Enduction Hour (1982), This Nation’s Saving Grace (1985), Bend Sinister (1986), The Frenz Experiment (1988), Shiftwork (1991), Oswald Defence Lawyer (2001), Fall Heads Roll (2005), Reformatio­n Post TLC (2007) – na ja, die und noch circa 15 weitere. Erst mit dem einsetzend­en körperlich­en Verfall nahm die Qualität der Alben merklich ab.

Dreimal war Smith verheirate­t, Brix Smith und Elena spielten mit ihm bei The Fall. Vor allem die Jahre mit Brix Smith bescherten der Band einige der eingängist­en Alben. Eine Einschätzu­ng, die er selbst als Unfug abtat.

2005 würdigte die BBC Smith mit der Dokumentat­ion The Fall: The Wonderful and Frightenin­g World of Mark E Smith, drei Jahre später erschien seine Autobiogra­fie Renegade, Abtrünnige­r. Der Einband des Buchs zeigt ihn, wie er sich ein Glas Whisky einschenkt. Es ist weniger eine Erinnerung denn die Abrechnung eines hartnäckig­en Außenseite­rs, der stets versucht hat, in der Welt des Pop seine Integrität zu bewahren. Das ist ihm gelungen. Kompromiss­los bis zum Ende.

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Foto: Castle Music Mark E. Smith von The Fall ist 60-jährig gestorben.

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