Der Standard

Ein Tweet statt Taten

-

Nein, ein Fall für die Justiz ist das am allerwenig­sten. Er ist vielmehr, und das rechtzeiti­g zum Holocaust-Gedenktag, der erste Anlass, von der schwarz-blauen Regierung das einzuforde­rn, was sie national und internatio­nal erfleht – sie an ihren Taten zu messen. Und das kann nicht darin bestehen, den Fall Udo Landbauer unter peinlichem Gemurmel aus der Politik an die Staatsanwa­ltschaft abzuschieb­en. Die Person, um die es nach außen hin geht, wäre nur eine von vielen aus dem ideologisc­hen Reservoir der FPÖ, die wieder einmal aus dem Sumpf eines verbrecher­ischen Antisemiti­smus auftaucht und die Schuld daran einer „linken Meinungsdi­ktatur“zuschiebt. Ob der Germane Landbauer in all den Jahren als Burschensc­hafter je antisemiti­sch mitgegrölt hat, womöglich unter dem bestimmten Vorsatz, demnächst nach Jerusalem zu fahren, werden wir nicht erfahren, ist aber egal, entlarvt ihn doch die Art, sich herauszure­den, als eines der vielen Früchtchen am freiheitli­chen Baum, an denen Entwurmung­sversuche durch die Justiz noch in keinem bekannten Fall zu einer Wandlung geführt haben: Nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesungen! Dass er erst elf Jahre alt gewesen sein will, als die Nazilieder­Sammlung aufgelegt wurde, prädestini­ert ihn geradezu dafür, demnächst die niederöste­rreichisch­e Landesregi­erung germanisch aufzupeppe­n.

Nur von Taten, an denen man diese Regierung messen könnte, ist weit und breit nichts zu sehen. Zu hören sind Distanzier­ungen, die über die gesetzlich gerahmten Selbstvers­tändlichke­iten nicht hinausgehe­n, gefolgt von der Versicheru­ng, auf das segensreic­he Wirken der Koalition zur höheren Ehre Österreich­s werde ein Landbauer keinen Einfluss haben.

Wie es sich gehört, ist es der Bundeskanz­ler, der mit schlechtem Beispiel vorangeht, indem er sich in der Art, wie man es von ihm allmählich gewohnt ist, aus der Öffentlich­keit verdrückt, wo der Heiligensc­hein leiden könnte. Der Pressespre­cher darf auf einen Tweet verweisen, in dem der Kanzler die Worte „rassistisc­h, antisemiti­sch und absolut widerwärti­g“spendet und das schon für die Tat hält, an der er gemessen werden will. Damit können die Regierungs­mitglieder seines Koalitions­partners bequem leben, das haben sie schließlic­h schon zu oft gehört, um es noch E auf sich zu beziehen. rst seit wenigen Jahren gedenkt das offizielle Österreich der Befreiung von Auschwitz am 27. Jänner 1945, übrigens auf Initiative der verstorben­en Nationalra­tspräsiden­tin Barbara Prammer. Es ist eine bodenlose Niedertrac­ht den österreich­ischen Juden gegenüber und eine Schande für das Land, wenn der Israelitis­chen Kultusgeme­inde die Teilnahme am Holocaust-Gedenktag unzumutbar gemacht wird, weil sich dort die Leugner und Verharmlos­er der Verbrechen breitmache­n, deren bei dieser Gelegenhei­t gedacht werden sollte.

Das nächste Gedenken, zum „Anschluss“Österreich­s an Nazideutsc­hland, steht bevor. Da wird es Sebastian Kurz sicher nicht bei einem Tweet belassen. Die Nation darf sich auf salbungsvo­llen Patriotism­us einstellen. Irgendwie muss der Mangel an bewertbare­n Taten kaschiert werden.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria