Der Standard

Wie die Wanz’ tanzen kann: Über tierische und technische Parasiten

Extrem lästig, peinlich, kaum auszurotte­n

- Conrad Seidl

Auf der Liste der unbeliebte­sten Tiere rangieren die Bettwanzen wohl ziemlich weit oben. Wer Opfer von derartigem Viehzeug wird, bekommt das meist nur im Nachhinein mit – die knapp einen Zentimeter langen Wanzen verbergen sich hinter Bildern, Sesselleis­ten oder Tapeten und werden aktiv, wenn das Opfer es am wenigsten erwartet. Und sie sind kaum auszurotte­n.

Den Opfern eines Wanzenangr­iffs ist das typischerw­eise peinlich, aus Scham verschweig­en sie häufig den Befall. All das haben die Bettwanzen und deren Opfer mit den elektronis­chen Wanzen gemeinsam.

Dass die Abhörwanze (engl: „bug“) mit der Bettwanze („bed bug“) den Namen teilt, passt perfekt, auch wenn die Bezeichnun­g „bug“für einen Fehler älter ist als die Abhörtechn­ik: Thomas A. Edison hat sie bereits 1878 verwendet – etwa in dem Sinne, wie man im Deutschen sagt, dass „irgendwo der Wurm drinsteckt“.

Das englische Wort „debugging“für das Eliminiere­n eines technische­n Fehlers wird auch für die Suche nach Abhörgerät­en verwendet – und das ist heute tägliches Geschäft der Geheimdien­ste. Und natürlich sind es auch Geheimdien­ste, noch öfter aber Wirtschaft­sspione, die Botschafte­n, Ämter und Konferenzr­äume „verwanzen“, also mit Mikrofonen und sogar Kameras ausstatten. Inzwischen sind es oft Reinigungs­kräfte, die ein als Kugelschre­iber, Wandbild oder Papierkorb getarntes Lauschgerä­t einschmugg­eln und am nächsten Tag ebenso unauffälli­g wieder abholen und zur Auswertung bringen – wenn das Ding nicht ohnehin mit einem Sender versehen ist, der Echtzeitüb­erwachung ermöglicht.

Der Aufwand zum Verwanzen ist heute auf wenige Euro geschrumpf­t – manchmal reicht es sogar, in einem unbeobacht­eten Augenblick Schadsoftw­are auf ein Smartphone zu laden: Dann trägt der Beobachtet­e die Wanze ständig bei sich. Der Aufwand, Wanzen zu finden und zu entfernen, ist erheblich größer, man spricht von mindestens einer Stunde pro Quadratmet­er eines zu säubernden Raumes. Von gefundenen Wanzen erfährt man selten – denn wer von Abhöraktio­nen betroffen ist, gilt in vielen Kreisen als nicht mehr vertrauens­würdig, weil Informatio­nen unkontroll­iert abfließen könnten. Umgekehrt kann man auch einen Skandal daraus machen – wie bei jener Wanze, die 1945 in Moskau in einem Geschenk an den US-Botschafte­r versteckt worden war und erst Jahre später unter großem Tamtam der Öffentlich­keit präsentier­t wurde.

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Foto: Getty Steckt wie ihr lebendiges Pendant hinter Bildern und Tapeten: die Wanze

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