„Patriotismus ja, Nationalismus nein“
nur ein Versatzstück, das man je nach Situation und Nützlichkeit einsetzt?
STANDARD: Sie wünschen sich also mehr politischen Diskurs über die Grundwerte und das Menschenbild, von dem ausgehend die politische Agenda abgearbeitet wird? Fischer: Sehr richtig, denn ich habe manchmal das Gefühl, Diskussionen werden sehr stark nach einer Nützlichkeitsbetrachtung geführt und ohne der Tatsache Rechnung zu tragen, dass die Suche nach den besten Lösungen ein komplizierter Prozess ist und dass man, wenn man ernsthaft ein Problem nach allen Seiten hin beleuchtet, nicht immer gleich Lob dafür bekommt. Gleichzeitig ist es notwendig, an ein Problem so heranzugehen, dass bestimmte Werte dabei nicht zu kurz kommen.
Standard: Wie sieht denn Ihre Vision für 200 Jahre Republik aus? Fischer: Im Detail kann ich das nicht beantworten, aber generell: Demokratie ist unverzichtbar, der Schutz der individuellen Freiheit und Privatsphäre ebenso, friedliche europäische Zusammenarbeit ist unverzichtbar, auch eine wissensbasierte Gesellschaft, weil Europa sonst gegenüber anderen Teilen des Globus zurückfallen würde. Ganz sicher wird die Frage, wie Österreich in hundert Jahren aussehen wird, von unseren Enkelkindern und Urenkeln entschieden, und ich werde meine, solang ich kann, liebevoll beobachten, aber nicht bevormunden.
HEINZ FISCHER (79) war von 2004 bis 2016 Bundespräsident, davor u. a. KlubobmannundVizeparteichef der SPÖ, Wissenschaftsminister und zwölf Jahre Nationalratspräsident. Er ist seit 2017 Präsident des Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) und diskutiert am 28. 1. (11 Uhr) im Burgtheater mit Anna Baar, Karl Schwarzenberg und Harald Welzer über die Zukunft der Republik. poesterreich100. at