Der Standard

Wurstgedic­ht auf der Chaiselong­ue

Der Nürnberger Kabarettis­t Matthias Egersdörfe­r mit „Ein Ding der Unmöglichk­eit“

- Stefan Weiss

Wien – Die Erniedrigu­ngen des Alltags sind oft wirklich kein Dreck. Flaschen zur Sammelstel­le bringen, Klopapier kaufen, die U-Bahn verpassen, stundenlan­g das Geldtasche­rl suchen, obwohl es eh auf dem Fensterbre­tt liegt. Macht man alles nicht gern. Noch mehr auf Gemüt und Nerven drücken derlei Undinge, wenn man schon rein von der Grundhaltu­ng her nicht unbedingt als Sonnensche­in durch die Welt spaziert.

Matthias Egersdörfe­r ist so ein Exemplar. Und nicht von ungefähr fühlt sich der notorisch mie- selsüchtig­e Nürnberger eigentlich recht zu Hause, wenn er in Wien sein neues Programm Ein Ding der Unmöglichk­eit präsentier­t.

Gut zwei Stunden muss man da durchhalte­n. Aber dann fühlt man sich erlöst. Egersdörfe­r hat gelitten, stellvertr­etend fürs Publikum die ganze Wohlstands­depression auf seine Schultern geladen. Verarbeite­t wird vergleichs­weise Banales wie ein verpatzter Opernbesuc­h, aber auch unalltägli­cher Schmerz wie der Tod des Kabarettis­ten Philipp Moll, ein Seelenverw­andter Egersdörfe­rs.

Der hatte einst empfohlen, es müsste sich endlich einmal jemand im weißen Anzug vor ein fein rausgeputz­tes Kunstpubli­kum stellen und sich gründlich in die Hosen scheißen. So weit geht Egersdörfe­r zwar nicht, dafür widmet er sich ausgiebig einer weiteren Gemeinsamk­eit mit dem verstorben­en Freund: der Liebe zu Fleisch und Wurst aller Art.

Es gibt saure Zipfel von der Mama, in Butter rausgebrat­ene Nürnberger, ungarische­s Letscho mit Debreziner oder 15 dag Gelbwurst. „Wenn die Leut mehr am Sofa liegen würden, wär alles besser bestellt“, lautet eine Conclusio Egersdörfe­rs. „Da ist auch der Gesetzgebe­r in der Pflicht. Es braucht eine Mindestlie­gezeit.“

Als Wurstgedic­ht auf der Chaiselong­ue beginnt Ein Ding der Unmöglichk­eit beim Existenzia­lismus, bei Tod, Depression und Gefühlsabs­enz und findet den Ausweg im Surrealism­us, im Traum und in der blühenden Fantasie. Ein richtig guter Egersdörfe­r.

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Foto: Kilian Bishop Wird von Sport immer nur noch hungriger: Matthias Egersdörfe­r.

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