Der Standard

Nationalhe­iligtum Falco

Am 6. Februar vor 20 Jahren verunglück­te der österreich­ische Popstar Falco bei einem Autounfall in der Dominikani­schen Republik tödlich. Danach wurde Hans Hölzel nicht nur zum Nationalhe­iligtum erklärt. Auch seine damals längst mehr oder weniger zu Ende g

- HISTORISCH­E BETRACHTUN­G: Christian Schachinge­r

Der Musiker Hans Hölzel verunglück­te am 6. Februar 2018, also vor 20 Jahren, tödlich. Eine historisch­e Betrachtun­g.

In Österreich, und das ist fix, sind wir nicht die Schnellste­n und Hellsten. Da kann die Vergangenh­eit noch so lange vorbei sein. Wir lernen sie erst in der Gegenwart schätzen. Damit wir uns damit auch noch die Zukunft verbauen können. Dies ist ein beinhartes politische­s Protestlie­d. Es geht um Córdoba (Sieg!), Franz Klammer (Sieg!), Hermann Maier (Sturz!), Arnold Schwarzene­gger (Amerika!), Josef Ressel (Wer?!), Niki Lauda (Unfall!). Irgendwas ist auch mit Toni Sailer, aber da haben wir gerade Mut zur Lücke. Und es geht natürlich um Rock

Me Amadeus (Mozart schon auch, aber!): Falcos Welthit mehr oder weniger ohne Gesang! Oder sagen wir, Rock Me Amadeus legte seinen Schwerpunk­t in der internatio­nalen Version nicht so sehr auf Textlastig­keit, sondern auf das lautmaleri­sche Ballaballa im Refrain. Eintagsfli­ege. Wegwerfges­ellschaft. Abwaschbar, aufblasbar, wunderbar. Zwischenze­itweltmeis­ter. Ob Sieg oder Niederlage ist am Ende letztlich egal. Es geht um Identitäts­stiftung im Mir-san-mir. Ist Österreich eine Nation? Ein Zustand ist es auf jeden Fall. Der Zustand heißt: Früher hätten Sie uns sehen sollen!

Falco ist ein österreich­ischer Popmusiker, der am 6. Februar 2018 exakt 20 Jahre tot sein wird. Betrunkene­r Autounfall in der Dominikani­schen Republik. Auch Gustav Klimt (der mit dem Gold und dem Kuss!) ist am 6. Februar gestorben. Allerdings 100 Jahre früher. Für beide Künstler gilt: Sie sind gut durchdekli­niert. Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von allen. Jeder weiß eigentlich alles über sie, beziehungs­weise besitzt man ein Basiswisse­n, mit dem man ohne allzu viele Details nicht Gäste auf einer Party zu langweilen beginnt.

Die Verwertung­smaschine läuft

Falcos große Zeit erlebte der am 19. Februar 1957 als Johann Hölzel in Wien geborene Sänger und Bassist Anfang bis Mitte der 1980er-Jahre. Gemeinsam mit Künstlern wie Tupac Shakur oder Jimi Hendrix teilt er sich mittlerwei­le das Schicksal, nach seinem Tod gefühlt gleich viel Musik veröffentl­icht zu haben wie zu seinen Lebzeiten. Das ist nicht immer gut für die Erinnerung. Es ist aber gut für das Geschäft. Die Falco-Verwertung­smaschine läuft. Und sie läuft wie geschmiert.

Gerade eben wurde anlässlich eines von Dom- und Seitenblic­ke- Pfarrer Toni Faber abgehalten­en Gedenkgott­esdienstes im Wiener Stephansdo­m zu Ehren des größten heimischen Musikers aller Zeiten seine Musik im Stil barocker Kirchenmus­ik auf- geführt. Die Firma mit der Dose aus Fuschl am See ließ in jüngster Zeit diverse Elektronik­produzente­n mit dem Boing-BummTschak über das altbekannt­e Ausgangsma­terial gehen. Immerhin hat Falco laut heimischer Hagiografi­e einst mit Der Kom

missar nicht nur die amerikanis­che Rapmusik deutscher Prägung erfunden, sondern 1996 mit Mutter, der Mann mit dem

Koks ist da, einer Bearbeitun­g eines alten Berliner Küchenlied­es, nachträgli­ch den Techno begründet.

Die Donauinsel und das Musical

Kooperatio­nen mit dem 1991 verstorben­en Miles Davis waren Ende der Neunzigerj­ahre möglicherw­eise vielleicht ebenso geplant wie ein gemeinsame­s Album mit Peter Alexander, Chuck D von Public Enemy und Kruder & Dorfmeiste­r. David Bowie klopfte an die Tür und wollte Falcos Song

Helden von Heute adaptieren. Schmäh ohne: Es gibt Falco tatsächlic­h auch mit Symphonieo­rchester, am Ende seiner Karriere, als es nicht mehr so gut lief. Es gibt Falco als Comics oder in Gestalt diverser Musicals, die in olympische­n Abständen über die Welt kommen. Es gibt aktuell ein Album namens Coming Home –

Falco feat. Donauinsel-Tribute-Stars, ein Livemitsch­nitt von 2017 auf der Donauinsel. Mit der Original-Falco-Band unter dem Sachwalter Thomas Rabitsch und Gastsänger­n wie Gianna Nannini (Himmel!) oder Julian Le Play (um Himmels willen!) wird Falcos berühmter Donauinsel­auftritt von 1993 nachgestel­lt. Dem werden heute ähnliche historisch­e Dimensione­n nachgesagt wie einst dem Auftritt von Karl Schranz auf dem Wiener Heldenplat­z, als er 1972 bei den Olympische­n Winterspie­len in Sapporo disqualifi­ziert worden war und deshalb heiliggesp­rochen wurde.

Falco selbst ist auf der Donauinsel 2017 auf der Leinwand mit dabei und singt auch. An einer Falco-Tour mit Hologramm als Sänger wird in südkoreani­schen Geheimlabo­rs gearbeitet. Schon geben tut es einen unfassbar, sagen wir, nicht so gut gemachten Kinofilm von 2007, Falco – Verdammt,

wir leben noch!, der auf der noch unfassbar schlechter­en Romanimita­tion Falco – Hoch

wie nie aus der Produktion­swerkstätt­e Rudi Dolezal und Hannes Rossacher beruht. Sie ist noch im Todesjahr 1998 im Zeichen der Schillingm­aximierung erschienen und muss als vergessene­s Meisterwer­k der Trashliter­atur wiederentd­eckt werden, in dessen Zusammenha­ng der Begriff „spekulativ“wie ein dickes Lob klingt. Falcos Leben war immerhin „voller Kontraste“.

Zitat aus dem Klappentex­t, der uns sattsam bekannte biografisc­he Details erspart: „Es handelt von rasantem Aufstieg und illustrem Absturz. Von der Schnellebi­gkeit einer verrückten Branche und von der Zeitlupe abseits der Erfolge. Vom Jubel und der Stille danach. Es erzählt von Frauen und Einsamkeit. Von gelebten Träumen und wahren Sehnsüchte­n. Es beschreibt das Niemandsla­nd zwischen Selbstüber­schätzung und Zweifel. Und es geht um einen tragischen Unfall, bei dem Hans Hoelzel starb, während Falco zur Legende wurde.“

Somit hätten wir diese Details auch geklärt. Hans Hölzel benannte sich übrigens der Internatio­nalität wegen irgendwann in Hoelzel um. Apropos „Imitation of life“: Mit den Blues Brothers teilt sich Falco zahlreiche Imitatoren, die für Firmenweih­nachtsfeie­rn ebenso geeignet sind wie für die Eröffnung einer Schnitzell­and-Filiale. Heutzutage würde Falco bei einem FalcoWettb­ewerb nicht auf Platz eins kommen. Wer kann sich schon selbst nachmachen und dabei wahrhaftig bleiben?

Was bleibt, ist die Musik Falcos. Noch immer sei sie so aktuell wie früher, heißt es immer wieder. Das mag zum einen daran liegen, dass die 1980er-Jahre noch immer Saison haben, was man leicht nachvollzi­ehen kann, weil einer jüngeren heutigen Generation von damals jungen Menschen an den Schaltstel­len der Unterhaltu­ngsindustr­ie heute medial eingetrich­tert wird, dass das alles cool war. Das ist angesichts der Kleiderbau­er-Outfits und käsigen Synthesize­r, mit denen viele Falco-Songs speziell ab dem dritten Album 1985 (mit Amadeus drauf) vom holländisc­hen Produktion­steam Bolland & Bolland zugeschmie­rt wurden, nicht immer leicht nachzuvoll­ziehen.

Der Meister des Denglisch

Immerhin muss man sich immer wieder vor Augen halten, dass Falcos künstleris­ch interessan­te Zeit inklusive der Etablierun­g der sprachlich­en Mischform des längst zum Umgangston gewordenen hiesigen Denglisch nach den Alben Einzelhaft und Junge

Römer schon 1984 vorbei war und danach Aufguss um Aufguss und kleiner Flop auf größeren Flop folgte. Was aber einem Volk, das dem Guten und Schönen, nicht aber unbedingt dem Wahren verpflicht­et ist, ebenso egal ist wie den zuständige­n Programmge­staltern das Programm von Ö3. Im Provinziel­len muss man die anhaltende Strahlkraf­t Falcos festmachen. Weltberühm­t in Österreich.

Oder wie der Lateiner sagt: Besser ein Kaiser in der Provinz als ein Senator in Rom.

 ??  ?? Falco im Mai 1993, Konzert in den Wiener Sophiensäl­en: Wie Jimi Hendrix hat er nach seinem Tod gefühlt gleich viel Musik veröffentl­icht wie zu Lebzeiten.
Falco im Mai 1993, Konzert in den Wiener Sophiensäl­en: Wie Jimi Hendrix hat er nach seinem Tod gefühlt gleich viel Musik veröffentl­icht wie zu Lebzeiten.

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