Der Standard

Die Stunde, da wir ein wenig voneinande­r erfuhren

Peter Handke erhielt in Griffen den Kärntner Landesorde­n in Gold. Bei dem schön bescheiden­en Festakt dankte Landeshaup­tmann Peter Kaiser dem Schriftste­ller auch für ein neues Gesetz.

- Michael Cerha

Griffen – Dichterleb­en sind nichts für schwache Nerven. Jahrzehnte­lang vom Publikum beschimpft und gleich einmal vorbeugend zurückgesc­himpft. Für ein ganzes Theaterstü­ck, in dem alle Figuren einander nur anschweige­n, in Belgrad ausgebuht und auf völliges Unverständ­nis gestoßen, und dann der kriegszerr­issenen serbischen Landbevölk­erung gleichwohl alles humane Verständni­s entgegenge­bracht, gegen die gesamte westliche Welt.

Im Jahr 2006 noch angefeinde­ter Grabredner Slobodan Miloševićs, folgt elf Jahre später plötzlich, nein, nicht der Nobelpreis, aber die Aussicht auf den Orden des Landes Kärnten, und nein, nicht wie Udo Jürgens ausnahmswe­ise in Gold, sondern gesetzestr­eu in Silber. Wiederum später, aber nur um eine Krisensitz­ung des Landtags, die nächste Spitzkehr: jetzt der Landesorde­n, wirklich in Gold.

Und so kam sie, am Freitagabe­nd im Stift Griffen, die Feierstund­e, da wir wohl immer noch zu wenig voneinande­r wussten. Aber mild, weise und etwas abgekämpft meinte Peter Handke nur: „Ich danke für diese Auszeichnu­ng, die ich überhaupt nicht verdient habe, aber ich kann es nicht ändern.“

Der verortete Dichter

In den Festreden davor beharrlich als Schriftste­ller tituliert, gab sich Peter Handke konziliant. Er habe sich selbst zwar nie als Schriftste­ller bezeichnet, sondern für seine eigentlich unnatürlic­he und ja auch nur temporäre Tätigkeit des Schreibens stets eben nur das Verbum „schreiben“verwen- det. Aber wenn sein Schreiben so in Griffen verortet werde, wie hier in den Ansprachen, könne man ihn vielleicht einen „Ortsschrif­tsteller“nennen. Gerade, dass der Weltlitera­t für sich selbst nicht auch noch das Wort Dorfschrei­ber gebrauchte.

Denn dieser Festakt hatte etwas schön Bescheiden­es, was dann auch ganz den Wünschen des geehrten Schriftste­llers entsprach. Es gäbe zu seinem Werk zwar gewiss noch ergiebiger­e Bezugspunk­te als seinen Geburtsfle­cken, beispielsw­eise der Einfluss Samuel Becketts, aber es war stimmungsv­oll.

Da war der von seinen zweisprach­igen Volksliede­rn selbst fast zu Tränen gerührte gemischte Ortschor, da war der jahrzehnte­lange Griffener Freund Valentin Hauser, da war „Seppi“, d. h. Griffens Bürgermeis­ter Josef Müller, und ein in aller hausherrli­chen Natürlichk­eit einfach glücks- strahlende­r Monsignore Johann Dersula, lauter persönlich Bekannte. Es war als Vorsichtsm­aßnahme verständli­ch, allerdings dann im Grunde gar nicht nötig, dass sich Peter Handke, zur Vergewisse­rung seiner zurückgezo­genen Lebenswirk­lichkeit in Chaville, an sein schwarzes Hemd die selbstgest­ickten grün-blauviolet­ten Manschette­n geheftet hatte.

Vor der Wahl

Der Landeshaup­tmann Peter Kaiser und der Landeskult­urreferent Christian Benger fassten sich einfühlsam kurz. Also halt, das musste einen Monat vor der Landtagswa­hl natürlich schon gesagt werden, dass ein kleiner Abglanz des Goldes auch auf diese beiden Politiker fällt, indem Benger ein Wahl-Griffener ist und Kaiser außer dem Vornamen noch über eine andere Gemeinsamk­eit mit Handke verfügt.

Beide setzten sich vor Jahrzehnte­n für die Erhaltung des Griffner Sees ein, einer „Lache“(Handke) am Rand der A2. Die gesetzlich­e Not mit dem Anlassfall drehte Landeshaup­tmann Peter Kaiser eigentlich geschickt um: Es sei das Land Kärnten nicht nur gebend, indem es den Dichter nunmehr mit seinem höchsten Orden auszeichne. Es sei das Land vielmehr auch beschenkt, indem Peter Handke ihm zu einem neuen Gesetz verholfen habe, dem aus dem bloßen Anlass heraus bereits „ein Hauch von etwas Literarisc­hem“anhafte.

Wie Bürgermeis­ter „Seppi“betonte, habe sich Valentin Hauser um die Aktualisie­rung der im Stift gezeigten Dauerausst­ellung so eingesetzt, „als würde sie nicht Peter Handke gelten, sondern eigentlich ihm selbst“.

Die im Jahre 2012 inhaltlich von Klaus Amann und gestalteri­sch von pyramidenk­ogelkrönen­den Architekte­n Dietmar Kaden konzi- pierte Ausstellun­g wurde jetzt aus Anlass von Handkes 75. Geburtstag von der Literaturw­issenschaf­terin Katharina Pektor erweitert und also bis in die Gegenwart ergänzt. Sie kann alles, was eine Literatura­usstellung nur können kann.

Die Beschaulic­hkeit

Die Lektüre von Handkes Büchern ersetzen kann sie somit zwar nicht. Aber sie ermöglicht in einer außerorden­tlich sensiblen, Handkes Hang zur Beschaulic­hkeit – das ist positiv gemeint – ganz entgegenko­mmenden und aufgrund des Ortes auch atmosphäri­sch überaus authentisc­hen Art die Vertiefung in das Bemühen dieses Autors, den Wirrnissen der Zeit unaufhörli­ch mit der größtmögli­chen Genauigkei­t und Behutsamke­it der Sprache entgegenzu­treten. Der Besuch lohnt – dann allerdings, wenn es wieder wärmer geworden ist.

 ??  ?? Der nunmehr von Kärnten prämierte Dichter Peter Handke betritt seine Ausstellun­g: „Ich danke für diese Auszeichnu­ng, die ich überhaupt nicht verdient habe, aber ich kann es nicht ändern.“
Der nunmehr von Kärnten prämierte Dichter Peter Handke betritt seine Ausstellun­g: „Ich danke für diese Auszeichnu­ng, die ich überhaupt nicht verdient habe, aber ich kann es nicht ändern.“

Newspapers in German

Newspapers from Austria