Der Standard

Kreuzritte­r für den bedingungs­losen Brexit

Soll er der neue britische Premiermin­ister werden, soll er Theresa May ablösen? Hinterbänk­ler Jacob Rees-Mogg steht neuerdings hoch im Kurs. Sein Programm: gegen alles sein, was den Brexit gefährdet.

- Sebastian Borger aus London

Der harte Kern von vier Dutzend EU-Hassern in der Tory-Fraktion hat ihn zum Anführer gewählt. Die Medien vergleiche­n ihn mit dem radikalen Labour-Opposition­schef und feiern ihn als „Jeremy Corbyn der Konservati­ven“. Und linke Hardliner versuchen, seine öffentlich­en Auftritte zu stören. Die überaltert­e Mitgliedsc­haft der Tories kürt ihn in parteiinte­rnen Umfragen zum Favoriten für die Nachfolge von Premiermin­isterin Theresa May: Jacob Rees-Mogg (48) steht dieser Tage im Mittelpunk­t der politische­n Debatte Großbritan­niens.

Die dreht sich mehr denn je um den für März 2019 geplanten EUAustritt. Am Montag stattete EUChefunte­rhändler Michel Barnier dem Londoner Brexit-Minister David Davis einen Höflichkei­tsbesuch ab (Artikel unten links), ehe die Verhandlun­gsrunde über den von Großbritan­nien gewünschte­n Übergangsz­eitraum bis Ende 2020 beginnt. Morgen, Mittwoch, und Donnerstag soll dann das zuständige Kabinettsk­omitee die Regierungs­linie festzurren.

Hauptsache dagegen

Zur Debatte steht offenbar ein Plan, demzufolge sich London von Brüssel nach 2020 eine eigens zugeschnit­tene Zollunion wünscht. Diese soll nur für Güter, nicht aber für Dienstleis­tungen gelten, obwohl Letztere 80 Prozent der britischen Volkswirts­chaft ausmachen. Immerhin würde diese Variante das haarige Problem der inneririsc­hen Grenze weitgehend lösen.

Egal, was die 27 Partnerlän­der von dieser englischen Extrawurst halten: Rees-Mogg ist dagegen. Der katholisch­e Millionär und Vater von sechs Kindern lehnt Ehe für alle und Abtreibung ab, vom Klimawande­l will er nichts wissen; in der Europafrag­e hält er die Fahne des ganz harten Brexits einschließ­lich Austritt aus Binnenmark­t und Zollunion hoch. Nur mit größtmögli­chem Abstand zur EU könne Großbritan­nien zu neuer Stärke finden, predigt der Mann im Nadelstrei­fen-Zweireiher bei jeder Gelegenhei­t.

Und Kabinettsm­itglieder wie Finanzmini­ster Philip Hammond, die sich hingegen „möglichst geringen“Abstand zum größten Binnenmark­t der Welt wünschen, seien des Teufels – oder von sinistren Kräften beeinfluss­t, wettert Rees-Mogg.

Schwaches Wachstum und hohe Inflation sowie eine zunehmend Brexit-kritische öffentlich­e Meinung fechten ihn nicht an, im Gegenteil: Wer anderer Meinung ist, hat eben unrecht. Hatte „das Mitglied für das 18. Jahrhunder­t“(Parlaments­spott) im vergangene­n Jahr noch den hochangese­henen Chef der Zentralban­k, Mark Carney, gepiesackt, so hat er sich jetzt auf die Beamtensch­aft im Finanzmini­sterium eingeschos­sen: Dort würden „die Zahlen manipulier­t“, um Großbritan­nien in einer wie auch immer gearteten Zollunion mit der EU zu halten. „Das wollen wir nicht.“

Dabei genießt die traditione­ll parteipoli­tisch neutrale Londoner Beamtensch­aft „weltweit hervorrage­nden Ruf“, konterte am Sonntag Innenminis­terin Amber Rudd: „Jacob hat unrecht.“Im Übrigen sei sich das Kabinett viel mehr einig als von den Brexiteers dargestell­t.

Ob das stimmt? Eilig haben die Brexit-Vorkämpfer – etwa Außenminis­ter Boris Johnson und Umweltmini­ster Michael Gove – für die kommende Kabinettss­itzung ihren Widerstand gegen die Zollunions­pläne angekündig­t.

Dass die Medien den exzentrisc­hen Reaktionär Rees-Mogg hofieren und ihn die Tories allen Ernstes für ministrabe­l halten, hat auch mit dem schlimmen Zustand von Mays schlingern­der Minderheit­sregierung zu tun.

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 ??  ?? Jacob Rees-Mogg steht seit einiger Zeit in vorderster Reihe, wenn es darum geht, die Interessen der britischen EU-Hasser zu vertreten.
Jacob Rees-Mogg steht seit einiger Zeit in vorderster Reihe, wenn es darum geht, die Interessen der britischen EU-Hasser zu vertreten.

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