Der Standard

Der Stellvertr­eter

Er legt als Tiroler Dramatiker Ehre für die gesamte Menschheit ein: Felix Mitterer wird heute 70 Jahre alt

- Ronald Pohl

Wien – Einen neuen Jedermann schrieb Felix Mitterer, der Tiroler Schnitzkün­stler unter den Dramatiker­n, bereits 1989, auf eine Anregung hin, die von Otto Schenk ausgegange­n war. Aus dem Vorspiel zu diesem Neo- Jedermann entstand ein regelrecht­es Familiendr­ama. Angesiedel­t war dieses in allerhöchs­ten Kreisen: Krach im Hause Gott, uraufgefüh­rt in Bregenz 1994.

Gottvater tritt in diesem Mysteriens­piel als Vorstandsv­orsitzende­r der Firma Gott auf. Auf einer Konferenz will der oberste Konzernher­r der Menschheit endlich ein Ende setzen. Es ist Satan, der die Todgeweiht­en vor ihrem unerwartet­en Verderber in Schutz nimmt. Des Teufels schwer widerlegba­res Argument: Die Menschheit stünde ohnehin im Begriff, sich selbst auszulösch­en.

Und weil sich sonst auf heimischen Bühnen niemand für den Job zuständig erklärt, hat ihn der Tiroler Landarbeit­erinnensoh­n Mitterer selbst übernommen. Stellvertr­etend für alle Anwälte, die sich für das Einlegen eines guten Wortes für die Menschheit zu gut sind, hält er ein dramatisch­es Plädoyer nach dem anderen. Jedes einzelne Mitterer-Stück ist ein – kunstvoll in die Länge gezogener – Aufschrei: „Seht her, wieder ein Mensch, der wider jede Aussicht auf Erfolg aufgestand­en ist, zu geißeln das Unrecht und die Lüge in der Welt.“Und wie durch ein Wunder erwirkte Mitterer einen Aufschub nach dem anderen. Die Menschheit hat sich bis jetzt doch (noch) nicht selbst ausgelösch­t. Mitterer sei Dank.

Sich selbst nannte der gelernte Zöllner einen „Tiroler Heimatdich­ter und Volksautor“. Beweise sammelte er zuhauf. Ein jüdischer Mime träufelt sich Zitronensa­ft in die dunklen Augen und wird, indem er sich als Tiroler Bauer ausgibt, zum Starschaus­pieler im Nazi-Bühnenbetr­ieb (In der Löwengrube). Mitterer bat Berühmthei­ten wie Dorothea Neff posthum vor den Vorhang, um zu zeigen: Sie, die ihre jüdische Freundin vor den Nazis versteckte, war eine Gerechte (Du bleibst bei mir).

So hat Mitterer, Stück für Stück, Ehre eingelegt für die Menschheit, am Eindrucksv­ollsten vielleicht in seiner Verweigere­rtragödie Jägerstätt­er (2013). Rund 40 Stücke und eine erklecklic­he Anzahl Drehbücher (Piefkesaga) hat Mitterer bis heute geschaffen. Heute, an seinem 70. Geburtstag, steht der Schauspiel­er Mitterer als Affe Rotpeter auf der Bühne des Josefstadt-Theaters und gibt einen Bericht für eine Akademie. Ein Hinweis auf unser äffisches Vorleben, um der Menschheit Gerechtigk­eit widerfahre­n zu lassen. Ad multos annos! 19.30 pwww. josefstadt.org

Newspapers in German

Newspapers from Austria