Erst Minister, und was dann?
Verfassungsrichter in Österreich zu sein – und das ist international höchst unüblich – ist ein Teilzeitjob. Zahlreiche Höchstrichter haben daneben gutgehende Anwaltskanzleien, was immer wieder zu Interessenkonflikten führen kann.
Aber die Kritik an Wolfgang Brandstetters Berufung in den Verfassungsgerichtshof entzündet sich nicht an seiner Arbeit als Strafverteidiger, sondern an seinem bisherigen Job als Justizminister. Niemand soll direkt von der Regierung in ein Höchstrichteramt wechseln, so die Forderung.
Nun gibt es am VfGH eine Wartefrist für Expolitiker, aber nur für den Präsidenten- und Stellvertreterposten. Das mag aus optischen Gründen berechtigt sein. Aber warum ein bisheriger Minister Verfassungsfragen nicht genauso objektiv und unabhängig beurteilen kann wie ein Rechtsprofessor, ein Spitzenbeamter oder ein Wirtschaftsanwalt, können die Kritiker nicht sagen. Gibt es den Verdacht der Befangenheit, etwa weil ein unter ihm entstandenes Gesetz geprüft wird, muss er sich ohnehin der Stimme enthalten. Und eine solche Unvereinbarkeit kann auch nach einer mehrjährigen Abkühlphase auftreten.
Wer aus einem Regierungsamt ausscheidet und einen neuen Job antritt – ob im Privatsektor oder im Staatsdienst –, ist immer öfter medialer Kritik ausgesetzt. Natürlich wäre es am saubersten, wenn Minister weder davor noch danach sensible Posten bekleiden. Doch dann würde man kaum noch qualifizierte Personen für die Politik finden.