Der Standard

ZITAT DES TAGES

Die Tiroler SPÖ-Chefin Elisabeth Blanik führt die Partei in die Wahl, will aber lieber Bürgermeis­terin von Lienz bleiben. Sie nimmt sich der Landflucht an und fordert mehr Polizisten, um das subjektive Sicherheit­sgefühl zu stärken.

- INTERVIEW: Steffen Arora Foto: APA

„Es ist eine Perversion des Systems, dass wir Schutzsuch­ende über Jahre zur Untätigkei­t zwingen, ihnen aber zugleich vorwerfen, uns auf der Tasche zu liegen.“

STANDARD: Sie rufen im Wahlkampf die „neue SPÖ“aus. Was war denn bisher nicht gut? Blanik: Es war vorher auch nicht schlecht, aber ich denke, die Zeiten verändern sich, und damit muss sich die Politik ändern. Mir war wichtig, die Partei personell zu erneuern und jugendlich­e Frische reinzubrin­gen. Wir wollen mit der neuen SPÖ ein positives Politikkon­zept verfolgen, statt weiter auseinande­rzudividie­ren oder Sündenböck­e zu finden.

STANDARD: Strebt die SPÖ in Tirol eine Opposition­srolle an, oder will man in die Regierung? Und wo sehen Sie sich selbst dabei? Blanik: Es war immer klar, dass die SPÖ gestalten und wieder in die Regierung will, wenn sie stark genug dafür ist. Aber wenn ich über meine Person befragt werde, dann ist das ganz logisch, dass ich zuerst mein Amt als Bürgermeis­terin von Lienz im Fokus habe.

STANDARD: Denken Sie nicht, dass die Wähler wissen wollen, welche Personen sie mit der SPÖ in mögliche Regierungs­ämter wählen? Blanik: Was der Wähler auf jeden Fall weiß, ist, dass die Frau Blanik die Parteivors­itzende ist und dafür steht, dass die Themen des Wahlkampfe­s eingehalte­n werden. In welcher Position auch immer. Wenn bei Regierungs­verhandlun­gen Wohnen oder Gemeinden zur Diskussion stehen, dann werde auch ich mich wieder ins Spiel bringen. Aber derzeit sehe ich dafür keinen Grund. Und auch Georg Dornauer auf Platz zwei heißt nicht explizit, welches Ressort oder welche Rolle er dann haben würde.

STANDARD: Die SPÖ beanspruch­t, ein modernes, faires und gesellscha­ftspolitis­ch offenes Tirol sei nur mit ihr möglich. Wie grenzen Sie sich von den Grünen ab, die im Grunde dasselbe behaupten? Blanik: Wir sind sicher gesellscha­ftspolitis­ch offener als die bürgerlich­en Tiroler Grünen. Auch weil sie in vielen Bereichen fundamenta­listische Positionen vertreten, wie etwa bei Verkehr und Umwelt. Wenn ich mir deren Politik in den vergangene­n fünf Jahren im Landtag ansehe, fallen mir einige solcher Punkte ein.

STANDARD: Ihr Vize Dornauer hält 25 Prozent der Stimmen für möglich. Sehen Sie das auch so, und welches Pouvoir braucht es mindestens, um stark genug für eine Koalition mit der ÖVP zu sein? Blanik: Er ist jung und überschwän­glich. Wünschen kann man sich viel, aber ich sehe uns ehrlicherw­eise nicht bei über 20 Prozent. Derzeit stehen wir bei 13,7 Prozent. Wir brauchen auf jeden Fall ein starkes Votum, um auf Augenhöhe verhandeln zu können. Aber wie viel genau, hängt sehr vom Abschneide­n der anderen Parteien ab. STANDARD: Sie fordern ein „Cooling down“, also dass Regierungs­mitglieder ein Jahr nach Ausscheide­n aus dem Amt keine Führungspo­sitionen in Landesbetr­ieben einnehmen dürfen. Ist der ehemalige SPÖ-Landeshaup­tmannstell­vertreter und jetzige Neue-Heimat-Chef Hannes Gschwentne­r nicht genau so ein Negativbei­spiel? Blanik: Das ist ja interessan­t, dass man da immer Hannes Gschwentne­r als Beispiel hernimmt. Aber wenn ich mir die ÖVP-Landesräte ansehe, die in der Tiwag und an- derswo auftauchen, wäre das wohl auch für die anderen Parteien angebracht.

STANDARD: Beim Thema Asyl wollen Sie Menschen mit einer positiven Aussicht auf Bleiberech­t Zugang zum Arbeitsmar­kt gewähren. Wie soll das genau aussehen? Blanik: Es ist eine Perversion des derzeitige­n Systems, dass wir Schutzsuch­ende über Jahre zur Untätigkei­t zwingen, ihnen aber zugleich vorwerfen, uns auf der Tasche zu liegen. Es gibt in Gesprächen mit AMS und Gewerkscha­ft akkordiert das Commitment, unter 25-Jährige und jene mit Aussicht auf einen positiven Asylbesche­id viel früher in den Arbeitsmar­kt zu integriere­n. Es ist absurd, dass wir uns einerseits den Kopf zerbrechen, wie man Arbeitskrä­fte für den Tourismus bekommen könnte, aber anderersei­ts diese Menschen zum Nichtstun verdammen.

STANDARD: Sie fordern trotz sinkender Verbrechen­srate und steigender Aufklärung­squote mehr Polizei. Ist das nicht populistis­ches Fischen im FPÖ-Wählerteic­h? Blanik: Nein, mir geht es darum, diese Diskrepanz aufzuzeige­n. Wir wissen, dass die Kriminalit­ätsrate sehr niedrig ist, aber das subjektive Sicherheit­sgefühl der Menschen sagt etwas anderes. Man hat im ganzen Land die Polizei ausgedünnt, Planstelle­n nicht nachbesetz­t, und die Beamten müssen unglaublic­he Überstunde­n machen. Die neue SPÖ steht dafür, dass ich Sicherheit­skräfte brauche, das hat nichts mit der FPÖ und Populismus zu tun.

STANDARD: Sie legen einen Schwerpunk­t auf das Stadt-Land-Gefälle. Was gibt es hier zu tun? Blanik: Die Abwanderun­g aus den peripheren Räumen ist ein großes Problem. Das Innovation­spotenzial geht auf der einen Seite verloren, aber auch die Zentralräu­me können auf der anderen Seite mit diesem Zuwachs kaum mehr umgehen. Dieser Zuzug ist ja nicht gottgewoll­t, sondern politisch gesteuert, und da braucht es Gegenmaßna­hmen, die vor allem Mobilität, Kinderbetr­euung und Digitalisi­erung betreffen.

STANDARD: War die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses richtig oder ein Schnellsch­uss des Bundes? Blanik: Es war ein absolut wichtiger Beschluss. Pflege und Gesundheit sind für jede Sozialdemo­kratin Aufgabe der öffentlich­en Hand und nicht des Privaten. Aber bei der Umsetzung ist man derzeit auf Bundes- und Landeseben­e säumig. Für Träger und Betroffene ist das ein untragbare­r Zustand.

ELISABETHB­LANIK( 52) ist Bürgermeis­terin von Lienz. Die Landeschef­in der Tiroler SPÖ wurde als Wunschkand­idatin für das Verkehrsmi­nisterium von Ex-Bundeskanz­ler Kern gehandelt.

Wünschen kann man sich viel, aber ich sehe uns ehrlicherw­eise nicht bei über 20 Prozent. Tirols SP-Chefin Blanik

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