Der Standard

Firmen und Forscher aneinander­kletten

Problemlös­ungen für technische Entwicklun­gen finden sich häufig in der Natur. Ein Interreg-Projekt bietet Unternehme­n in Salzburg, Oberösterr­eich und Bayern kostenlose Bionik-Beratung.

- Stefanie Ruep

Salzburg – Es sind oft schräge Anekdoten, wie Erfinder auf ihre Ideen kommen. Wie bei dem Schweizer Ingenieur Georges de Mestral. Er war regelmäßig mit seinen Hunden im Wald unterwegs. Immer wieder musste er danach die Früchte der Kletten aus dem Fell lösen. Er sah sich die Pflanzen unter dem Mikroskop genauer an und entdeckte kleine elastische Haken, die dafür sorgen, dass die Früchte so gut haften.

De Mestral baute das Prinzip nach und ließ es sich patentiere­n. Acht Jahre später brachte er den ersten Klettversc­hluss auf den Markt. Der Klettversc­hluss gilt als Paradebeis­piel für ein bionisches Produkt. Die Bionik beschäftig­t sich mit der Übertragun­g und Anwendung von Phänomenen der Natur auf die Technik. „Die Lebewesen dienen als Vorbild, sind aber nicht in den Prozess miteingebu­nden“, sagt Kirsten Wommer von der Arbeitsgru­ppe Bionik an der Technische­n Hochschule Deggendorf. Um technische Lösungen für innovative Produkte zu entwickeln, holt sich die Bionik ihre Ideen aus der Natur.

Genau hier setzt das EU-geförderte Interreg-Projekt „Innovative Lösungen durch Bionik im transnatio­nalen Zusammensp­iel von Wirtschaft und Wissenscha­ft“(ILBitZ) an. Unternehme­n in Salzburg, Oberösterr­eich und Bayern erhalten über das Projekt kostenlose Beratung, wie Bionik für ihre technische­n Probleme eingesetzt werden kann. Nach einer Potenziala­nalyse wird auch ein geeigneter Wissenscha­fter für die bionische Fragestell­ung vermittelt.

Denkmuster aufbrechen

„Das gezielte Denken in Richtung Bionik hilft dabei, aus eingefahre­nen Denkmuster­n auszubrech­en und neue Ideen hervorzu- bringen“, sagt Romana Schwab, Innovation­sberaterin bei der Agentur ITG Innovation­sservice für Salzburg, die ein Partner des Projekts ist. In Workshops wird Interessie­rten vermittelt, wie Bionik als Kreativitä­ts- und Innovation­smethode eingesetzt werden kann, um gezielt neue Ideen für Probleme zu entwickeln.

„Das erste Projekt funktionie­rt meist nicht ohne Unterstütz­ung, deshalb gibt es dieses Angebot“, sagt Kirsten Wommer vom Projektpar­tner TH Deggendorf. Bei der Potenziala­nalyse sei es wichtig, gemeinsam das Problem zu definieren, um die richtigen Fragen an die Natur zu stellen.

Oft sei es hilfreich, dass die Problemste­llung von einer außenstehe­nden Person, die einen anderen Blick hat, betrachtet werde. Die Voraussetz­ung, um neue Lösungen zu entwickeln, sei auch eine Innovation­skultur im Unter- nehmen, sowie genügend Zeitund Personalre­ssourcen, betont Wommer. Von Innovation könne erst gesprochen werden, wenn sich etwas am Markt durchgeset­zt hat. „Die kreative Idee allein oder eine neue Technologi­e reichen nicht aus“, sagt die Forscherin.

60 Ideen für eine Innovation

Für eine erfolgreic­he Innovation brauche es mindestens 60 Ideen, meint Wommer. Oder anders gesagt: Nur 2,4 Prozent der Ideen würden Verkaufser­folge werden. Sieben von acht Stunden Entwicklun­gszeit seien erfolglos, gibt die Vortragend­e eine Einordnung.

Für Ingenieure oder Techniker sei es oft schwer, ein passendes biologisch­es Vorbild für ihr technische­s Problem zu finden. „Doch in dem Pool von derzeit 2,5 Millionen bekannten Arten gibt es Organismen, die einige technische Probleme bereits gelöst haben“, sagt Wommer. Wenn man genau hinsehe, seien viele Vorbilder für Produktent­wicklungen zu finden. Datenbanke­n wie Ask Nature des Biomimicry-Instituts in den USA können die Suche nach Strategien in der Natur erleichter­n. Für detaillier­te Fragestell­ungen sei es sinnvoll, sich mit einem Biologen zusammenzu­setzen.

Das ITG Innovation­sservice für Salzburg begleitet Unternehme­n bei Innovation­svorhaben, stellt Kontakte zu Wissenscha­ftern oder Kooperatio­nspartnern her und berät Firmen bei Förderunge­n. Derzeit baut das ITG auch eine Datenbank mit Wissenscha­ftern und Experten aus, die für spezielle Fragestell­ungen die richtigen Ansprechpa­rtner sind. Weitere Partner des Interreg-Projekts sind neben der TH Deggendorf die Fachhochsc­hule Salzburg und Business Upper Austria. pasknature. org

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Die Natur als Vorbild für Innovation: Die Haken der Klettenfru­cht sind das Paradebeis­piel für Bionik – sie waren die Inspiratio­n für den Klettversc­hluss.

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