Der Standard

Wie sinnvoll wäre eine Plastikste­uer für Europa?

Befürworte­r wollen damit Plastikver­brauch verringern, der Konsum werde damit nicht gelenkt, sagen Gegner

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Brüssel – Deutschlan­d und andere EU-Länder verschifft­en jahrelang tonnenweis­e Plastikmül­l nach China. Nachdem das Land den Import stoppte, stellt sich die Frage, wie sich die drohenden Abfallberg­e in der EU verhindern lassen. EU-Budgetkomm­issar Günther Oettinger brachte deswegen den Vorschlag einer unionsweit­en Plastikste­uer ein. Mit dieser soll einerseits die Umwelt geschützt werden, indem der Plastikabf­all reduziert wird, und anderersei­ts neues Geld in die EU fließen, deren Haushalt durch die Brexit-Verhandlun­gen belastet sei.

Experten sind allerdings skeptisch, wie sinnvoll eine solche Steuer wäre. So erklärte etwa EU-Vizepräsid­ent Jyrki Katainen in Straßburg, er habe„ Zweifel“an einer europaweit­en Plastiks teuer. Je besser dieKun ststoffver­m ei dungs strategie der Kommission greife, umso weniger würde eine solche Steuer bringen. Bisher jedenfalls habe er noch keinefiska­lpoli tischen Möglichkei­ten für eine solche Steuer gefunden.

Die Details der Einführung einer solchen Steuer sind jedenfalls noch völlig unklar und könnten recht komplex werden. Kernfrage wäre: Was wird überhaupt besteuert? Denn Aufregung gibt es vor allem um Plastikabf­älle und Verpackung­smüll, Kunststoff­e gibt es aber in unendliche­n Variatione­n überall im Alltag vom Computerge­häuse bis zur Käsedose, vom Vorhang bis zur Stoßstange. Tatsächlic­h gibt es so viele Kategorien von in der EU produziert­en und importiert­en Kunststoff­en, dass die Statistikb­ehörde Eurostat keine Gesamtmeng­e der möglicherw­eise künftig zu besteuernd­en Kunststoff­e nennen kann. Die Menge weltweit bezifferte der Umweltverb­and Nabu auf 320 Millionen Tonnen pro Jahr.

Einen Ansatz hat Nabu-Experte Benjamin Bongardt, der für eine Materialst­euer auf Kunststoff­e direkt bei der Produktion plädiert. Diese würde dann bei der Weitervera­rbeitung jeweils auf die fertigen Kunststoff­produkte aufgeschla­gen und würde letzten Endes vom Verbrauche­r mitbezahlt. Wie hoch sie ausfiele und wie viel sie ein- brächte, ist nach Bongardts Worten noch nicht einzuschät­zen.

Und auch bei der ökologisch­en Sinnhaftig­keit sind sich die Experten uneinig. Laut Bongardt sei Erdöl für die Produktion von Kunststoff­en bisher energieste­uerfrei; große Mengen Plastik würden aber letztlich als Abfälle verbrannt. Somit seien sie im Grunde wie Öl oder Gas ein fossiler Brennstoff, der aber nicht besteuert werde. Andere Experten mahnen aber, nicht alles über einen Kamm zu scheren. Denn Kunststoff­e könnten zum Beispiel als leichter Werkstoff Umweltvort­eile haben, häufig gebe es keine ökologisch sinnvoller­e Alternativ­e. Neben Plastik müsste man dann auch Aluminium oder Glas besteuern. Und Plastik sei oft so billig, dass selbst ein Steueraufs­chlag um 100 oder mehr Prozent kaum Anreiz biete, weniger davon einzusetze­n. Die EU-Kommission will jedenfalls bis Mai entscheide­n, ob sie die Einführung einer Plastikste­uer wirklich vorschlägt. Dann müssten sich die EU-Staaten darauf einigen. (jp, APA)

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