Der Standard

Der Kurssturz war überfällig

Nach der langen Aktienrall­y sollten Anleger die aktuellen Turbulenze­n aussitzen

- Eric Frey

Für Aktienmuff­el – und dazu zählen die meisten Österreich­er – sind die jüngsten Turbulenze­n an den Finanzmärk­ten der Beweis, dass sie immer schon recht hatten: Die Börse ist ein Kasino, wo vernünftig­e Anleger nichts verloren haben.

Dabei sind die Aktienkurs­e auch nach den dramatisch­en Verlusten der vergangene­n Tage immer noch deutlich höher als vor einem Jahr, sogar als noch vor drei Monaten. Der Kursverfal­l ist eine erwartbare, fast unvermeidb­are Korrektur des anhaltende­n Anstiegs des Vorjahres. Ein Börsenjahr wie 2017 – mit stetigen Gewinnen und ohne größere Verluste – hat es in der Geschichte noch selten gegeben. Kein Wunder, dass manche Anleger jetzt ihre Gewinne mitnehmen und andere kalte Füße bekommen. Es braucht nicht viele Verkäufer, um die Kurse fallen zu lassen. Es reicht, wenn niemand kaufen will.

Dennoch muss man sich im Nachhinein wundern, warum diese Korrektur nicht schon früher eingetrete­n ist, vor allem an der Wall Street, wo viele Aktien in Relation zu den Konzerngew­innen stark überbewert­et sind. Dass Donald Trumps Steuerrefo­rm nicht nur Unternehme­nsprofite wachsen lässt, sondern auch die Neuverschu­ldung des Staates, war schon lange bekannt. Dass die US-Wirtschaft diese Konjunktur­spritze nicht braucht und daher Inflation und Zinsen wohl steigen werden, ebenso. Finanzmärk­te spiegeln längerfris­tig die Situation der Realwirtsc­haft wider, aber kurzfristi­g wirken sie oft höchst irrational. nd obwohl sich die Wall Street am Dienstag stabilisie­rte, ist noch kein Ende des Abwärtstre­nds in Sicht. Unabhängig von den Fundamenta­ldaten sind auch Verluste von 20, 30 oder 50 Prozent – wie etwa während der Weltfinanz­krise von 2007 bis 2009 – möglich. Das würde noch mehr Anleger verschreck­en und ihnen jede weitere Lust auf Aktien- und Fondsinves­tments nehmen.

Ein Blick zurück zeigt aber, dass dies ein Fehler sein kann: Wer im März 2009, am Tiefpunkt der Finanzkris­e und der Börsenkurs­e, in US-Aktien eingestieg­en ist, hat seither seinen Einsatz vervierfac­ht – und selbst an der Wiener Börse mehr als verdoppelt. Über ein Jahrzehnt gesehen sind Aktien deutlich lukrativer als Anleihen oder gar ein Sparbuch – und nicht riskanter als Immobilien.

UAllerding­s sind solche Wendepunkt­e erst im Nachhinein zu erkennen. Am besten steigen daher langfristi­ge Anleger aus, die nicht erst dann kaufen, wenn die Börse boomt, und bei Verlusten nicht in Panik geraten. Wer heute Aktien oder breitgestr­eute Aktienfond­s besitzt, sollte die jetzigen Schlagzeil­en einfach ignorieren.

Einer, dem das schwerfall­en wird, ist der US-Präsident. Trump hat die Wall-Street-Rally seit seiner Wahl als Beweis für seine Erfolge verkauft. Nun drohen fallende Kurse die sonst guten Nachrichte­n aus der Wirtschaft zu überschatt­en. Die kurzfristi­gen Schwankung­en des Aktienmark­tes sagen wenig über die wirtschaft­liche Lage aus. Kurse fallen manchmal, gerade weil es der Wirtschaft gutgeht. Denn dann steigen die Zinsen, was Anleihen gegenüber Aktien attraktive­r macht. Das ist wohl auch der Hauptauslö­ser des jüngsten Kursrutsch­es.

Wenn dieser weitergeht, wird Trump noch bereuen, sein politische­s Los so eng mit dem der Börse verknüpft zu haben. Am Ende wird er dann behaupten, dass die Finanzmärk­te genauso unfair zu ihm seien wie die Medien. Und damit wird er recht haben: Märkte kennen keine Fairness.

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