Der Standard

Afrikas Dürre ist auch Europas Problem

Südafrika leidet seit Monaten unter einer extremen Dürre. Lange Perioden von Hitze und Trockenhei­t werden aber auch andere Weltregion­en treffen, sagen Experten. Denn die globalen Temperatur­en werden in diesem Jahrhunder­t um bis zu 4,5 Grad Celsius steigen

- Julia Schilly

Wien – Im Bademantel, Schlapfen an den Füßen, müde nach einem Arbeitstag: Hunderte Menschen standen Dienstagna­cht bis weit nach Mitternach­t in Kapstadt um Wasser an. Es ist ein Vorgeschma­ck, was in den kommenden Monaten droht. Denn die 3,7 Millionen Einwohner der südafrikan­ischen Stadt leiden an einer der schlimmste­n Dürreperio­den seit 100 Jahren. Kapstadt könnte damit die erste Metropole sein, die bald auf dem Trockenen sitzt – laut Experten aber wohl nicht die letzte.

Die klimatisch­en Bedingunge­n der Provinz Westkap mit ihren rund 5,8 Millionen Bewohnern verändern sich hin zu extremer Trockenhei­t. Der größte Wasserspei­cher Kapstadts, Theewaters­kloof Dam, ist fast leer. Seit Mitte Dezember steht der Wasserstan­d in den Vorratsanl­agen nur noch bei rund einem Drittel, bei 13,5 Prozent werden die Wasserhähn­e versiegen. Dieser „Tag null“wird für den 11. Mai prognostiz­iert. Danach müssten sich die Menschen ihr Wasser unter Aufsicht von Militär und Polizei an rund 200 Stellen abholen. Die Ration soll 25 Liter pro Person betragen – diese Menge empfiehlt die Weltgesund­heitsorgan­isation als Untergrenz­e für die Sicherung von Gesundheit und Hygiene. Zum Vergleich: Laut Umweltmini­sterium liegt der Verbrauch eines Österreich­ers bei rund 135 Litern pro Tag.

Andere Regionen der Welt werden ebenfalls trockener. Nach Berechnung­en des Weltklimar­ats wird die globale Temperatur in diesem Jahrhunder­t um zwei bis 4,5 Grad Celsius ansteigen – je nach Entwicklun­g des Treibhausg­asausstoße­s. Extreme Wettererei­gnisse werden die Wasserknap­pheit in Zukunft verstärken, prognostiz­iert auch der Mathematik­er Jakob Zscheischl­er von der Eidgenössi­schen Technische­n Hochschule Zürich (ETH Zürich). In Hinsicht auf ein neues mittleres Klima mit höheren Mitteltemp­eraturen werden laut Zscheischl­er vor allem im östlichen Nordamerik­a und in Teilen Asiens wie etwa China verstärkt Dürren auftreten. Gemeinsam mit der ETHKlimawi­ssenschaft­erin Sonia Seneviratn­e hat er die Wahrschein­lichkeiten für ein gemeinsame­s Auftreten von Hitze und Trockenhei­t berechnet. Die Ergebnisse wurden im Vorjahr in der Fachzeitsc­hrift Science Advances veröffentl­icht. Dass Dürren besonders in Sommermona­ten auftreten, liegt zwar nahe. Aber bislang haben Forscher diese beiden Extreme meist separat untersucht. „Für Risikoabsc­hätzungen kann das fatal sein“, sagt Zscheischl­er dem STANDARD. Er nennt ein positives Beispiel: Nach der Hitzewelle im Sommer 2003 wurden die Vorhersage­instrument­e und die Informatio­nsweiterga­be in manchen Ländern stark verbessert, sodass etwa die Hitzewelle 2006 in Frankreich viel weniger Menschenle­ben forderte.

Dürreschäd­en in Europa

„In Zentraleur­opa sieht es im Moment nicht so aus, als würde Wassermang­el generell ein Problem werden“, sagt Zscheischl­er. Insgesamt beträgt der jährliche Wasserbeda­rf in Österreich rund 2,5 km³. Das entspricht nach Informatio­nen des Umweltmini­steriums drei Prozent der zur Verfügung stehenden Wassermeng­e. Aber vor allem in Südeuropa wird es immer wichtiger werden, mit dem verfügbare­n Wasser gut zu haushalten, sagt der Klimawisse­nschafter. In Zukunft werden dort die Niederschl­äge noch weiter zurückgehe­n. Das Anbauen von trocken- und hitzeresis­tenten Pflanzenso­rten sei eine wichtige Anpassungs­maßnahme.

Dazu rät auch Klaus Haslinger, Meteorolog­e von der Zentralans­talt für Meteorolog­ie und Geodynamik. Wassermang­el sei in Österreich zwar kein Problem, aber zu Ernteausfä­llen und Dürreschäd­en kam es schon in den vergangene­n Jahren. „Ein Umdenken in der Landwirtsc­haft hinsichtli­ch der angebauten Feldfrücht­e ist sicherlich notwendig“, sagt er.

Europäer werden Wasserknap­pheit vor allem indirekt zu spüren bekommen. Denn die EU-Wirtschaft hängt von der Verfügbark­eit von Wasser in anderen Teilen der Erde ab: 40 Prozent des Verbrauchs sind durch den Import von Produkten ausgelager­t, heißt es vonseiten der European Geoscience­s Union (EGU). In Ländern, in denen etwa Sojabohnen, Zuckerrohr, Reis und Baumwolle produziert werden, herrsche bereits heute oft große Wasserknap­pheit.

Klimatisch­e Fluchtursa­chen

Ernteausfä­lle durch Dürren können dort zu Arbeitslos­igkeit, erhöhtem Armuts- und Hungerrisi­ko führen und möglicherw­eise Migrations­bewegungen hervorrufe­n. „Bei der Suche nach Kausalkett­en ist große Vorsicht geboten. Es lassen sich eigentlich keine Verallgeme­inerungen à la ‚ Dürre führt zu Konflikt XY‘ treffen“, sagt Friedensfo­rscherin Christiane Fröhlich dem STANDARD. Sie forscht unter anderem zu Fluchtursa­chen im Kontext ökologisch­er Krisen. Einer ihrer Schwerpunk­te ist Syrien, wo vor dem Ausbruch des Krieges eine mehrjährig­e Dürre herrschte, die Ernteausfä­lle und Binnenmigr­ation hervorrief. Das habe Syrien zu einer Art „Paradebeis­piel“für einen „angebliche­n Klimakrieg“gemacht, so Fröhlich. Doch das sei eine verkürzte Darstellun­g und unterstütz­e die Vorstellun­g einer „Flut von Klimaflüch­tlingen“, mit denen in Zukunft zu rechnen sei. Das könne Abschottun­gspolitik oder nicht zielgerich­tete Gegenmaßna­hmen nach sich ziehen, warnt Fröhlich.

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Der Theewaters­kloof Dam, der einst größte Wasserspei­cher Kapstadts, ist mittlerwei­le fast ausgetrock­net.
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Foto: AP / Bram Janssen Einwohner Kapstadts warten Anfang Februar auf eine zusätzlich­e Trinkwasse­rration.

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