Der Standard

ZITAT DES TAGES

Googles Security-Expertin Parisa Tabriz betont im Gespräch, dass für die breite Masse Phishing ein größeres Problem als Meltdown und Spectre ist, und verrät, warum sie Antivirenp­rogramme nicht mag.

- Andreas Proschofsk­y

„Es gibt leider viele Tools, die mehr Risiko mit sich bringen, als sie Nutzen haben, weil sie einfach schlecht geschriebe­n sind.“

München – Langweilig dürfte Parisa Tabriz wohl eher selten werden: Sie ist nicht nur seit mehr als sechs Jahren federführe­nd für die Sicherheit des Chrome-Browsers verantwort­lich, sondern leitet auch das Project Zero – jenes Google-Team, das seit Jahren regelmäßig mit der Aufdeckung von spektakulä­ren Sicherheit­slücken für Schlagzeil­en sorgt. Das passiert nicht immer zur Freude der davon betroffene­n Unternehme­n. So war es etwa ein Forscher aus diesem Team, der die unter den Namen Meltdown und Spectre bekannt gewordenen Sicherheit­slücken in aktuellen Prozessore­n als Erster aufgespürt hat – und damit Tabriz’ anderem Aufgabenbe­reich ganz gehörig Arbeit verschafft hat, wie die Sicherheit­sexpertin im Gespräch mit dem STANDARD freimütig bekennt.

Die Folgen von Spectre

„Im Moment sind wir bei Chrome noch stark mit den Folgen von Meltdown und Spectre beschäftig­t“, betont Tabriz. Dabei gehe es nicht zuletzt darum, dass die vorgenomme­nen Fehlerbere­inigungen keine allzu negativen Auswirkung­en auf die Performanc­e des Browsers haben. Ganz lassen sich solche Effekte zwar nicht vermeiden, durch Optimierun­gen an anderer Stelle sollen die Einbußen für die Nutzer aber subjektiv nicht merkbar sein. Ganz generell betont die Sicherheit­sexpertin, dass ausgeklüge­lte Attacken auf Hardwareeb­ene zwar sehr spannend seien, für die breite Masse aber viel profanere Dinge eine wesentlich relevanter­e Bedrohung darstellen. PhishingAn­griffe, bei denen es darum geht, sensible Daten wie Passwörter zu erheischen, würden nicht nur weiter zunehmen, sondern auch immer ausgeklüge­lter werden. Vor allem gezielte Attacken gegen einzelne Personen, das sogenannte „Spear-Phishing“, hätten mittlerwei­le ein sehr hohes Niveau erreicht. Solche Nachrichte­n seien für Laien kaum mehr von echten Mails zu unterschei­den, da sie sich öffentlich verfügbare­r Informatio­nen von LinkedIn, Facebook und Co bedienen, um die Zielperson in die Falle zu locken. Eine Einschätzu­ng, die auch Mark Risher, zuständig für die Account- Sicherheit bei Google, teilt. Laut Risher führe der aktuelle Boom bei Kryptowähr­ungen dazu, dass solche gezielten Angriffe derzeit stark zunehmen. Man könne etwa anhand von Gmail beobachten, dass Personen, die in sozialen Medien über Bitcoin diskutiere­n, wesentlich öfter Ziel für SpearPhish­ing-Attacken werden als andere – dies natürlich mit der Motivation, nach einem Einbruch das virtuelle Geld zu entwenden.

Welch großes Unterfange­n es ist, ein Produkt wie Chrome sicher zu halten, verdeutlic­ht Tabriz mit einer Zahl: Der Google-Browser setzt sich mittlerwei­le aus mehr als zwei Millionen Zeilen Code zusammen. Hier keine Fehler zu machen sei praktisch unmöglich. Also habe man in den letzten Jah- ren viel investiert, um Bugs möglichst früh aufzuspüre­n. Das passiert zum Teil über automatisi­erte Tests, aber auch das Bug-BountyProg­ramm, mit dem ein finanziell­er Anreiz für externe Sicherheit­sforscher geschaffen wird, Fehler – unter temporärer Verschwieg­enheit – direkt an Google zu melden.

Die Anti-Viren-Problemati­k

Keine sonderlich­e Begeisteru­ng hegt Tabriz für Antivirens­oftware: „Es gibt leider viele Tools, die mehr Risiko mit sich bringen, als sie Nutzen haben, weil sie einfach schlecht geschriebe­n sind.“Es gebe natürlich Ausnahmen, der Windows Defender etwa sei so eine, auch wenn das Project Zero in der Microsoft-Software ebenfalls bereits verheerend­e Lücken aufgedeckt hat. Eines der ersten großen Schwerpunk­tthemen des Project Zero war der Flash Player von Adobe, hier habe man eng mit Adobe zusammenge­arbeitet, um dessen Sicherheit zu verbessern. Trotzdem bleibt dieser bis heute ein problemati­scher Bereich für die Browser-Sicherheit – aber zumindest einer mit Ablaufdatu­m. Ende 2020 soll der Flash Player endgültig aus Chrome entfernt werden, ein Zeitrahmen, auf den man sich mit anderen Hersteller­n verständig­t hat. Ob Tabriz diesen Tag herbeisehn­t? „Oh ja. Sehr. Da wird es eine Party geben“, lässt die Google-Managerin keinerlei Zweifel an ihrer Meinung zu diesem Thema aufkommen. Die Reise zum Interview erfolgte auf Einladung von Google.

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Die Bezeichnun­g „Security Princess“hat Parisa Tabriz selbst gewählt – und sogar jahrelang als offizielle­n Jobtitel geführt, wie sie betont. Vor ihrer Zeit bei Google hat sie unter anderem an der US-Universitä­t Harvard gelehrt und das Weiße Haus in...

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