Der Standard

Orbáns Schwiegers­ohn unter Korruption­sverdacht

Bericht der EU-Ermittler zu überteuert­en Auftragsve­rgaben an Lampenfirm­a stört Fidesz-Wahlkampf

- Gregor Mayer aus Budapest

Die EU-Antikorrup­tionsbehör­de Olaf erhebt schwere Anschuldig­ungen gegen ein Unternehme­n des Schwiegers­ohns von Ungarns Ministerpr­äsident Viktor Orbán, István Tiborcz. Die Firma Elios, die zwischen 2009 und 2014 dutzende Gemeinden mit Lampen für die Straßenbel­euchtung ausstattet­e, soll die öffentlich­en Ausschreib­ungen für die betreffend­en Aufträge manipulier­t und damit illegale Profite erzielt haben. Die Projekte waren zum Großteil mit EUFörderge­ldern finanziert worden.

Die Existenz des Olaf-Berichts ist seit mehreren Monaten bekannt, so wie auch der Umstand, dass die EU-Antikorrup­tionsermit­tler vorschluge­n, dass Ungarn Förderunge­n in Höhe von 43,7 Millionen Euro entzogen werden – der Gegenwert der EU-Gel- der für die mutmaßlich betrügeris­ch abgewickel­ten 35 Projekte. Ungarns Regierung hatte damals keine weiteren Einzelheit­en des Olaf-Berichts an die Öffentlich­keit gegeben. Nun, im beginnende­n Wahlkampf, sickerte aber das Dokument an das unabhängig­e ungarische Portal 24.hu durch. Dieses veröffentl­ichte am Mittwoch und Donnerstag die wichtigste­n Erkenntnis­se aus dem Bericht.

Unrealisti­sche Annahmen

Demnach fanden die Olaf-Ermittler bei allen 35 Ausschreib­ungen für neue Straßenbel­euchtungen – sie stammten aus Kommunen mit Bürgermeis­tern aus der Orbán-Partei Fidesz – schwere Unregelmäß­igkeiten. Bei 17 von ihnen wollen sie „organisier­te Betrugsmec­hanismen“festgestel­lt haben. Die Ausschreib­ungen waren nicht nur exakt auf Eli- os zugeschnit­ten, sodass gar kein anderer Anbieter zum Zug kommen konnte. Bei den besagten 17 Projekten wurden darüber hinaus die Rentabilit­ätsrechnun­gen nachträgli­ch „korrigiert“, das heißt eine irreal lange Lebensdaue­r für die von Elios verkauften LED-Lampen eingefügt. Ohne diese Manipulati­onen hätten die Ausschreib­ungen für ungültig erklärt werden müssen, weil das Elios-Anbot sonst nicht rentabel gewesen wäre und den Ausschreib­ungskriter­ien nicht entsproche­n hätte.

Olaf bestätigte auch, dass die Beraterfir­ma Sistrade, die die Ausschreib­ungen für die Kommunen konzipiert­e und abwickelte, aufs Engste mit Elios verbunden war. Sistrade-Geschäftsf­ührer Endre Hamar, zudem ein guter Freund von Tiborcz, war damals selbst indirekt an Elios beteiligt. Für alle Beteiligte­n gilt die Unschuldsv­ermutung. Der Olaf-Bericht nennt nur den Namen der Elios-Vertriebsl­eiterin, nicht den der damaligen Eigentümer. Tiborcz verkaufte 2015 seine Anteile an Elios.

Aufgrund von Anzeigen von Opposition­spolitiker­n hatte die ungarische Polizei bereits 2016 Ermittlung­en eingeleite­t, aber nichts gefunden – womöglich, so lautet ein Verdacht, weil sie nichts finden sollte. Die Budapester Staatsanwa­ltschaft hat nun ein Strafverfa­hren eingeleite­t. In Ungarn, wo Orbáns Fidesz-Partei bei den Parlaments­wahlen am 8. April die Zweidritte­lmehrheit verteidige­n will, rechnet man aber damit, dass es versanden wird. Der Oberste Staatsanwa­lt Péter Polt ist ein treuer Orbán-Loyalist. Die Opposition dürfte die Affäre jedoch für sich zu nutzen wissen.

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