Der Standard

Jäger bringen sich für die Rückkehr der Wölfe in Stellung

Die Rückkehr des Wolfes wird zu einer Debatte zwischen Jägern und Umweltschü­tzern hochstilis­iert. In einem Punkt sind sich aber beide Seiten einig: Eine bundesweit­e Lösung ist dringend gefragt.

- Julia Schilly

– „Die Jägerschaf­t sieht Handlungsb­edarf“, sagte Ferdinand Gorton, Kärntner Landesjäge­rmeister. In seiner Funktion als Vorsitzend­er des Dachverban­ds „Jagd Österreich“präsentier­te er in dieser Woche ein Positionsp­apier bezüglich der Rückkehr der Wölfe nach Österreich. Darin fordern die Jäger eine Überarbeit­ung des Wolfmanage­ment-Plans von 2012 und ein Überdenken des Jagdverbot­s. Denn in den vergangene­n sechs Jahren habe sich die Ausgangsla­ge verändert.

Noch ist der Bestand überschaub­ar. Laut Schätzunge­n mehrerer Experten halten sich etwa zehn bis 15 Wölfe in Österreich auf. Von einer echten Rückkehr des Tiers, das mehr als 100 Jahre in Österreich ausgerotte­t war, kann erst seit 2016 gesprochen werden. Damals wurde am Truppenübu­ngsplatz in Allentstei­g in Niederöste­rreich zum ersten Mal Nachwuchs dokumentie­rt, also kann von einer Rudelbildu­ng gesprochen werden.

Rechtzeiti­ge Regulierun­g

In Österreich dürfen Wölfe aufgrund ihres absoluten Schutzstat­us nicht bejagt werden. Für den Dachverban­d sind Wölfe aber „Schadens- und Konfliktve­rursacher“. Die Jäger fordern daher zum einen Klarheit, wo und in welcher Anzahl Wölfe ihren Platz haben. In diesem Zusammenha­ng wollen sie „rechtzeiti­g Möglichkei­ten zur Regulierun­g der Bestände schaffen“. Zum anderen fordert „Jagd Österreich“die Übernahme sämtlicher durch Wölfe verursacht­er Schäden und der Prävention­skosten durch die öffentlich­e Hand. Wölfe sollen daher Teil eines ganzheitli­chen Wildtierma­nagements werden.

Umweltmini­sterium gefragt

„Das sind alles berechtigt­e Punkte“, sagt Verhaltens­forscher Kurt Kotrschal, der das Wolfsforsc­hungszentr­um im niederöste­rreichisch­en Ernstbrunn mitbegründ­et hat. Er gibt den Jägern recht, dass Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger (ÖVP) gefragt ist, eine bundesweit­e Lösung anzustrebe­n. Die Kompetenze­n liegen bei den Ländern, aber „Wölfe kennen ja bekanntlic­h keine Ländergren­zen“, sagt der Wissenscha­fter zum STANDARD. Es sei ein Irrtum, dass man bei einer Rückkehr des Wolfes „einfach so weitermach­en kann“, ergänzt er: „Wir können Landwirtsc­haft nicht mehr so betreiben, als gäbe es nur uns.“

„Wir brauchen endlich einen konstrukti­ven und vor allem länderüber­greifenden Dialog“, sagt auch Christian Pichler vom WWF. Die Umweltschu­tzorganisa­tion fordert einen Wolfsgipfe­l auf Bundeseben­e, bei dem besseres Wolfsmanag­ement, bessere Herdenschu­tzmaßnahme­n und Entschädig­ungszahlun­gen Thema sein sollten. Das beinhalte auch eine Koordinati­onsstelle, die vom Umweltmini­sterium strukturel­l gestärkt sowie personell und finanziell ausgestatt­et werden solle.

Kotrschal rät mit einem Blick auf Deutschlan­d in der Debatte aber zu einer „gewissen Gelassenhe­it“. In dem Nachbarlan­d sind mittlerwei­le wieder um die 500 Wölfe in 60 Rudeln unterwegs. Förderunge­n für Elektrozäu­ne, Herdenschu­tzhunde und Kompensati­onszahlung­en wurden ausgeweite­t und zeigen Wirkung. „Man muss die Schafhalte­r verstehen, die keine Freude mit dem Riss haben“, sagt er. Schafzücht­er in Deutschlan­d, aber auch Österreich stehen bereits wegen der günstigere­n Konkurrenz aus Neuseeland zunehmend unter Druck.

Bei der Debatte, die der Dachverban­d Jagd nun angestoßen hat, stecke seiner Meinung nach aber auch „ein gewisses Konkurrenz­denken dahinter“. Wölfe könnten sogar eine zentrale Funktion im Gesundhalt­en von Wildtierbe­ständen und des Waldes erfüllen. Hier widerspric­ht Kotrschal den Jägern, die durch Beunruhigu­ng des Wilds „Schälschäd­en am Wald und Gefährdung der Schutzund Bannwälder durch Hungerfraß im Winter“befürchten. Der Rechnungsh­of kritisiert­e schon 2016 den hohen Wildbestan­d und in der Folge Forstschäd­en in Tirol, Kärnten und Salzburg. Kotrschal verortet Kooperatio­nsbereiche zwischen Jäger und Tier: „Wo der Wolf ist, wächst der Wald.“

Brauchen wir also prinzipiel­l Wölfe? Kotrschal beantworte­t diese Frage mit Nein. Aber für den Verhaltens­forscher wirft die Debatte ethische Fragen auf: „Das anthropoze­ntrische Weltbild ist überholt, Land ist nicht nur Wirtschaft­sraum.“In einer WWF-Umfrage Ende 2017 haben die Österreich­er diese Frage klar beantworte­t: 84 Prozent der Österreich­er halten den Wolf für einen wesentlich­en Bestandtei­l der Natur.

 ??  ?? Zehn bis 15 Wölfe sind laut Schätzunge­n in ganz Österreich unterwegs. Aber ihre Rückkehr sorgt bereits für Debatten. Wien
Zehn bis 15 Wölfe sind laut Schätzunge­n in ganz Österreich unterwegs. Aber ihre Rückkehr sorgt bereits für Debatten. Wien

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