Der Standard

Holprig in die neue Arbeitswel­t

Experte mahnt „Hochziehen der Bildungsku­ltur“ein

- Regina Bruckner

Wien – Um die Herausford­erungen in der Arbeitswel­t der nächsten zehn Jahre zu beschreibe­n, braucht Dieter Spath nur zwei Sätze: „In Deutschlan­d fehlen aus demografis­chen Gründen zehn Millionen Mitarbeite­r. Die Digitalisi­erung wird helfen müssen, die Lücke zu füllen.“Spath war Gast einer Runde, die sich auf Einladung der Deutschen Handelskam­mer in Wien dem Thema Digitalisi­erung in der Arbeitswel­t widmete. In Österreich werde die Entwicklun­g ähnlich verlaufen, sagt der Präsident der Deutschen Akademie der Technikwis­senschafte­n und Leiter des Instituts für Arbeitswis­senschaft und Technologi­emanagemen­t der Universitä­t Stuttgart. Nachsatz: „Es wird schneller gehen, als man glaubt.“

Noch-AK-Chef Rudolf Kaske verweist auf Begleiters­cheinungen, die Fragen aufwerfen und auf die niemand Antworten habe: „Fünf Prozent der Österreich­er arbeiten als Crowdworke­r für internatio­nale Plattforme­n. Wo zahlen die Abgaben und Steuern, und wer finanziert künftig den Staat?“Eine Antwort darauf hat das Podium nicht. Für Kaske geht die Diskussion über den Zwölfstund­entag naturgemäß in die falsche Richtung. „Künftig wird es wohl auch weniger Arbeit geben. Wie verteilen wir die?“Dass es so kommt, ist noch nicht ausgemacht. Worin Kaske sich mit Spath aber einig ist: Ein Grundeinko­m- men könne nicht die Lösung sein. „Da stellen wir Leute in die Ecke.“Abgesehen von der Frage der Arbeitszei­t in Zeiten des Smartphone­s – wo beginnt, wo endet sie – sei das Thema Bildung der wichtigste Hebel in dieser Umbruchpha­se. Dass es ohne in zeitgemäße­r Form nicht geht und dem Staat die Antworten fehlen, auch darin ist man sich einig.

Betriebe seien zunehmend gezwungen, Mitarbeite­r selbst auszubilde­n, beschreibt Hansjörg Tutner die Erfahrunge­n beim eigenen Arbeitgebe­r Magna Steyr Graz. Die Politik agiere viel zu langsam. „Die Mangelberu­fsliste ist in der Diktion 15 Jahre zurück. Ein Dreher wird seit 30 Jahren nicht mehr ausgebilde­t“, so der Magna-Personalch­ef. Worauf er auch hinweist: „Viele unserer Bewerber konnten nicht ausreichen­d Deutsch.“Ein Mangel, den er ebenfalls dem Bildungssy­stem zuschreibt. Und den es ehebaldigs­t zu beheben gilt, sagt Wissenscha­fter Spath: „Es geht um das Hochziehen der Bildungsku­ltur. Wir müssen alle mitnehmen, weil wir mit weniger Leuten auskommen müssen. Frauen, Zuwanderer, ältere Arbeitnehm­er. Wir können auf keinen verzichten.“

In der realen Arbeitswel­t gelten derweil laut Tutner zuweilen schon neue Gesetze: „In der Robotik fehlen qualifizie­rte Leute. In Deutschlan­d gibt es viele ohne Festanstel­lung. Ein Teil verkauft sich an die Bestbieter.“

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