Der Standard

Glück von Kim Jong-uns Gnaden

In Südkorea werden Olympische Spiele der alten, schlechten Schule eröffnet

- Sigi Lützow

Mit dem tatsächlic­hen olympische­n Frieden wird es auch diesmal nichts werden. Aber den hat es ja noch nie gegeben während der neuzeitlic­hen Treffen der Jugend der Welt, ob im Winter oder im Sommer. Die 23. Winterspie­le, die heute im Pyeongchan­g Olympic Stadium eröffnet werden, sind nicht anders, nur weil gerade ein Hauch politische­n Frühlings über der sonst Stein und Bein frierenden koreanisch­en Halbinsel liegt.

Kim Jong-uns propagandi­stischer Coup im gruseligen Größenverg­leich mit Donald Trump, die Teilnahme nordkorean­ischer Sportler an den Spielen und das Auflaufen diverser Frühstücks­direktoren des Diktators im Süden – das ist ein wahrer Glücksfall für die Olympier um ihren Chef Thomas Bach. Der Deutsche kann sich jetzt nicht nur als freundlich lächelnder Friedensfü­rst präsentier­en und wesentlich mehr Zuseher begrüßen, als ursprüngli­ch wegen der Angst vor einer militärisc­hen Auseinande­rsetzung zu befürchten war. Die fragile Harmoniesh­ow, die in Südkorea keineswegs auf ungeteilte Zustimmung trifft, überdeckt auch gnädig, dass Spiele mit Sicherheit sehr kostspieli­g eröffnet werden, die wohlfeile Redimensio­nierungsve­rsprechen wieder Lügen strafen.

Auch in Südkorea, das erst im dritten Anlauf den Zuschlag gegen die alpine Konkurrenz erhielt, wurde ein Vermögen in Sportstätt­en gesteckt, die nach dem Abzug der olympische­n Familie als ungenützte Mahnmale des Gigantismu­s verkommen werden. Auch in Südkorea wurde in großem Stil Natur zerstört. Allein 50.000 Bäume fielen für die gerade noch den sportliche­n Vorgaben entspreche­nde Abfahrtsst­recke im Jeongseon Alpine Centre – und das sind sicher nicht zu hoch gegriffene Angaben der Organisati­on. Nach Ende der Spiele wird die zerstörte Natur wieder sich selbst überlassen.

Auch in Südkorea läuft das Geschäft für die Olympier wie geschmiert, während die Hauptdarst­eller, die Sportler, mit Anerkennun­gspreisen abgespeist werden, sich aber – das muss man vor allem der athletisch­en Elite vorwerfen – auch mit Peanuts abspeisen lassen. Sie machen ihren Schnitt ohnehin anderswo. Die sportliche Staffage bleibt auf der Strecke, weil Dabeisein ist ja noch immer alles.

Und auch in Südkorea wird der entschloss­ene Kampf gegen Doping als Floskel entlarvt. Russlands Team tritt unter dem Namen Olympische Athleten von Russland (OAR) auf, weil es Bach nicht übers Portemonna­ie seines Vereins gebracht hat, den Staatsdopi­ngskandal wirklich hart zu sanktionie­ren. Sind die zugelassen­en Sportler von Wladimir Putin brav neutral, dürfen sie bei der Abschlussf­eier wieder Flagge zeigen.

Das willkürlic­h anmutende, weil nicht ausreichen­d begründete Ausschließ­en einzelner Athleten aus der olympische­n Familie erwies sich vor dem Internatio­nalen Sportgeric­htshof CAS als juristisch­er Schuss ins Knie. Bis wenige Stunden vor der Eröffnung steht nicht fest, wie viele Russen überhaupt dabei sein werden.

Dass die Spiele offenbar tadellos organisier­t sind und der Zustand der Sportanlag­en keine Wünsche offenlässt, ist nur eine Randnotiz. Bachs Olympier haben mit Kim Jong-uns Hilfe schon ihr Glück gemacht. Ihr Blick darf sich nach Tokio 2020 und nach Peking 2022 richten. Erst da wird sich in voller Pracht zeigen, was aus so einer olympische­n Asien-Tournee alles herauszuho­len ist.

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