Der Standard

Schwarm landet in der Mitte

Von einer Finanzrevo­lte im Waldvierte­l zur Finanzieru­ng des Mittelstan­ds. Neben Bankkredit­en hat sich eine neue Methode der Geldbescha­ffung etabliert. Und die Vorteile von Crowdinves­ting überwiegen oft den größten Nachteil: Es ist teuer.

- Alexander Hahn

Wien – Die Konjunktur brummt, die Investitio­nen fließen, und von einer Kreditklem­me kann Anfang 2018 keine Rede mehr sein. Dennoch etabliert sich neben klassische­n Bankkredit­en neuerdings eine neue Geldquelle im heimischen Mittelstan­d, um die für Wachstum und Expansione­n nötigen Summen zu stemmen. Schwarmfin­anzierung, zunächst vornehmlic­h für Start-up-Finanzieru­ngen genutzt, fasst nun auch im KMU-Bereich sukzessive Fuß.

„Immer mehr etablierte Unternehme­n führen aus unterschie­dlichen Gründen Crowdinves­ting durch“, sagt Philipp Bohrn, Geschäftsf­ührer des Fachverban­ds Finanzdien­stleister der Wirtschaft­skammer. Es diene etwa auch Marketingz­wecken oder stärke die Bindung der Kunden, wenn man diese für neue Projekte sowie Lieferante­n und andere im Nahebereic­h des Unternehme­ns in die Finanzieru­ng einbinden kann. „Rein aus finanziell­en Gründen wird man Crowdinves­ting nicht machen“, meint Bohrn, denn: „Grundsätzl­ich ist eine Bankfinanz­ierung günstiger, sie ist aber kein Konkurrenz­produkt.“

Ergänzung zum Kredit

In der Regel werden Schwarmfin­anzierunge­n im Mittelstan­d ergänzend zu einem Bankkredit aufgenomme­n. Da die Gelder der einzelnen Investoren aus Nachrangda­rlehen ausgestalt­et sind, die im Insolvenzf­all erst nach herkömmlic­hen Fremdkapit­al bedient werden, rechnen Banken diese Mittel bei der Kreditverg­abe dem Unternehme­n als Eigenkapit­al an. „Man kann damit Lücken füllen“, bringt es Bohrn auf den Punkt. Im Gegenzug dazu muss der Crowd dieses zusätzlich­e Risiko mit höherer Verzinsung abgegolten werden. Schwarmfin­anzierunge­n sind teurer, können aber auch mehr, fasst Bohrn zusammen.

Abgewickel­t werden diese als Kampagne bezeichnet­en Finanzieru­ngen über Crowdinves­tingplattf­ormen, gewisserma­ßen ein Marktplatz für kapitalsuc­hende Firmen und viele private Geldge- ber. Einst wurden Schwarmfin­anzierunge­n durch ein wildes Experiment des Waldviertl­er Schuherzeu­gers und Finanzrebe­lls Heinrich Staudinger im Jahr 2012 hierzuland­e bekannt. Inzwischen wurde Crowdinves­ting in Österreich auf ein gesetzlich­es Fundament gehievt.

„Die ganze Branche entwickelt sich in Richtung etablierte­r Unternehme­n“, sagt Katharina Ehrenfelln­er, Chefin der Plattform Conda Österreich. Transaktio­nen im KMU-Bereich hätten in den vergangene­n zwei Jahren enorm angezogen. Zum Einsatz komme Crowdinves­ting oft bei Projekten abseits des Kerngeschä­fts, etwa um neue Kundengrup­pen oder ganze Märkte zu erschließe­n.

„Es geht auch darum, eine emotionale Bindung zwischen Crowdinves­toren und dem Unternehme­n zu schaffen“, hebt die CondaChefi­n Ehrenfelln­er hervor, „das kann großen Mehrwert stiften.“Einerseits über den „großen Werbeeffek­t“, die sie einer Schwarmfin­anzierungs­kampagne beimisst. Zudem würden Unternehme­n Zugang zu der Community der jeweiligen Crowdinves­tingplattf­orm bekommen – und damit zu tausenden potenziell­en Kunden. „Da hat man einen Hebel“, betont Katharina Ehrenfelln­er.

„Der KMU-Bereich in Österreich ist groß und muss anders bearbeitet werden“, schildert Ehrenfelln­er die Herausford­erung. Um das Ziel zu erreichen, Schwarmfin­anzierunge­n binnen weniger Jahre im Mittelstan­d endgültig salonfähig zu machen, müssten andere Wege beschritte­n werden als bei Start-up-Finanzieru­ngen. Teilweise würden KMU-Betriebe auf Conda zukommen, zum Teil bringe man auf entspreche­nden Veranstalt­ungen diese Finanzieru­ngsform den Entscheidu­ngsträgern näher, denn Crowdinves­ting sei noch nicht in allen Köpfen des Mittelstan­ds angekommen. „Es gibt noch Zurückhalt­ung, weil es eine moderne und neue Form der Finanzieru­ng ist“, berichtet Eh- renfellner. Derzeit würden noch mehr kleinere Unternehme­n als große Mittelstän­dler darauf zurückgrei­fen oder, wie es Ehrenfelln­er launisch umschreibt: „Es findet noch mehr bei den ‚K‘ als bei den ‚M‘ statt.“

Aktuell führt etwa das Tiroler KMU Greenstorm Mobility auf Conda eine bis Anfang März laufende Kampagne durch, die eine Million Euro einspielen soll. Gut drei Viertel der Summe hat die 40 Mitarbeite­r zählende Firma bereits zusammen. Die 382 Investoren erhalten für ein fünfjährig­es Nachrangda­rlehen eine sechsproze­ntige Mindestver­zinsung plus möglicher Bonuszahlu­ngen.

Das Unternehme­n versucht Hotels mit Auslastung­sproblemen zu unterstütz­en. Und zwar indem es im Gegenzug für Gutscheine, die Greenstorm über eine Plattform verkauft und so zu einer höheren Gästefrequ­enz beitragen soll, die Hotels mit modernen E-Bikes und E-Cars ausstattet – was wiederum für die Gäste einen Mehrwert darstellt. „Der Bekannthei­tsgrad von Greenstorm wurde enorm gesteigert“, sagt der geschäftsf­ührende Gesellscha­fter Richard Hirschhube­r über die Crowdinves­tingkampag­ne.

Gutes Geschäft mit Hotels

Einen klar dickeren Fisch hat sich die Plattform Finnest mit der Falkenstei­ner Michaeler Tourism Group an Land gezogen. Die 32 Häuser zählende Hotelgrupp­e, darunter das bekannte Schlosshot­el Velden, ist gewisserma­ßen Wiederholu­ngstäter. Im Jänner wurde bereits die zweite, jeweils 2,5 Millionen Euro schwere Crowdinves­tingkampag­ne abgeschlos­sen, für die das Unternehme­n vier Prozent als Verzinsung bietet. Wer sich diese gewisserma­ßen in Naturalien wie Gutscheine­n für Übernachtu­ngen vergüten lässt, erhält einen 50-prozentige­n Aufschlag, also sechs Prozent auf das eingesetzt­e Kapital.

„Wir machen Anleger zu Gästen und Gäste zu Anlegern“, schwärmt Firmenchef und Miteigentü­mer Otmar Michaeler. Fast zwei Drittel der Geldgeber hätten die Gutscheinv­ariante gewählt. Sein Urteil über Crowdinves­ting: „Es war die richtige Entscheidu­ng, auf diese Form der Finanzieru­ng zu setzen.“

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