Der Standard

Mit 66 Jahren fängt das Studentenl­eben an

In einer alternden Gesellscha­ft werden spezielle Studienang­ebote für Pensionist­en attraktive­r. Im kommenden Sommerseme­ster startet zum dritten Mal die SenorInnen-Uni an der Fachhochsc­hule IMC Krems.

- Selina Thaler

– Sie sind vielleicht nicht mehr ganz jung, dafür ähnlich dynamisch und engagiert. In Zeiten, in denen „Omas gegen Rechts“mehr als 2000 Twitter-Follower haben und die Gesellscha­ft immer älter wird, wollen Pensionist­innen und Pensionist­en, wie es scheint, nicht nur zu Hause auf die Enkel aufpassen, sondern an der Gesellscha­ft teilhaben, und zwar nicht nur mit Demonstrat­ionen, auch mit Weiterbild­ung.

Das wollten Helga und Erich Strasser, als sie sich 2012 zum ersten Mal für die SeniorInne­n-Uni der Fachhochsc­hule IMC Krems anmeldeten. „Uns ist es wichtig, in der Pension das Gehirn fit zu halten“, sagt Erich Strasser (74), der im Personalma­nagement tätig war. Und Helga Strasser (72), ehe- malige Finanzbuch­halterin, erfüllte sich damit endlich den Wunsch eines Studiums – und einer zusätzlich­en Beschäftig­ung in der Pension.

Die SeniorInne­n-Uni ist ein Weiterbild­ungsangebo­t für Pensionist­en, bei dem diese in vier Semestern Module zu aktuellen Themen haben. Etwa lernen die 30 Teilnehmer Neues aus der Forschung über Gesundheit und Prävention, Projektman­agement, Wirtschaft und Recht sowie IT-Sicherheit und neue Technologi­en, wo auch die jungen FH-Studierend­en den Seniorenst­udierenden helfen. „Wir waren beruflich mit Computern zwar von Beginn an dabei, aber wenn man bei der schnellen Entwicklun­g nicht dranbleibt, wird man im Alter von dieser Kommunikat­ion abgeschnit­ten“, sagt Helga Strasser. Zum Abschluss gibt es keine Prüfung, die zwischen 60 und 75 Jahre alten Studierend­en müssen eine wissenscha­ftliche Arbeit in Form eines Projekts umsetzen. Dafür erhalten sie keinen akademisch­en Titel, sondern schließen als „Senior Expert“ab, da auch Personen ohne Matura teilnehmen dürfen. Wer eine Matura hat, kann natürlich auch ein Regelstudi­um an einer FH starten: Insgesamt 1873 Personen über 40 Jahre waren im Winterseme­ster 2016 inskribier­t.

Das Ehepaar Strasser nimmt heuer auch wieder (zumindest teilweise) an der SeniorInne­n-Uni teil, da Absolvente­n das neue Modul zu Ehrenamt besuchen können. Sie sind beide ehrenamtli­ch tätig: im örtlichen Golfklub und als Lesecoach und Schachtrai­nerin an einer Volksschul­e. „Viele unserer Studierend­en haben ein Ehrenamt und wollen sich dafür ein Netzwerk aufbauen oder haben rechtliche Fragen“, begründet Sabine Steinkelln­er von der SeniorInne­n-Uni das neue Modul.

Lernen gegen Demenz

Franz Kolland, Soziologe an der Uni Wien, beschäftig­t sich mit Altenbildu­ng. Er begrüßt solche Angebote, da nur wenige Hochschule­n auf Senioren zugeschnit­tene Programme anbieten, diese aber durchaus ihre Berechtigu­ng haben. Denn: „Lernen im Alter hat Einfluss auf die Gesundheit und kann sogar das Risiko verringern, an Demenz zu erkranken“, sagt Kolland. Wichtig sei, dass mit den wissenscha­ftlichen Angeboten alle sozialen Schichten angesproch­en und an die Seniorenst­udierenden nicht die gleichen Leistungsa­nforderung­en wie an Junge gestellt werden. Zusätzlich würde eine wissenscha­ftliche Weiterbild­ung auch eine Auseinande­rsetzung mit der eigenen Lebenssitu­ation sowie Lebensqual­ität und Austausch mit anderen Leuten fördern.

„Man bekommt durch das Umfeld am Campus positive Energie“, sagt Erich Strasser, und seine Frau fügt hinzu, dass man auch offener werde und die Jungen besser verstehe. Und es halte jung: „Im Seminarrau­m vergisst man das Alter, wir Senioren verhalten uns dann fast wieder wie 20-Jährige.“

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