Jeff Koons’ Kunst sorgt für Empörung in Paris
Jene Kunst, die sich im öffentlichen Raum behaupten muss, unterliegt stets den größten Diskussionen. Während sich Paris über Koons Tulpenstrauß erregt, stirbt ein Werk Lawrence Weiners leise.
Wien/Paris – Mit Blumen fängt man Mäuse, dachte sich Kater Tom, als er Jerry jagte. Umso ironischer klang der Dank in der Titelmelodie: „wie lieb von dir“. Auch Jeff Koons’ Blumenpräsent für Paris ist von zweifelhafter Natur. Seine elf Meter hohe Skulptur Bouquet of Tulips soll an die Terroropfer von Charlie Hebdo und jene vom 13. November 2015 erinnern, aber ausgerechnet auf dem Place de Tokyo, also prominent situiert zwischen zwei Museen für Kunst der Moderne und der Gegenwart, aufgestellt werden.
Schon allein das Beharren auf diesen Platz im schicken 16. Arrondissement, der rein gar nichts mit den Orten der Anschläge zu tun hat, reicht, um die Großzügigkeit von Koons’ Geste infrage zu stellen. Er würde damit eine Landmark in Paris setzen, und zwar dauerhaft und nicht nur temporär wie viele seiner effektheischerischen Arbeiten, zuletzt die aufblasbare Ballerina in New York, wo er bereits mehrfach das Rockefeller Center als öffentliche Hintergrundtapete genutzt hat.
Jeff Koons, der seit der Versteigerung einer Pudelskulptur 2013 für 58,4 Millionen Dollar als teuerster lebender Künstler der Welt gilt, wird von repräsentativen Kritikern des Projekts aus der französischen Kunst- und Kulturszene zu Recht als Symbol einer spektakulären und spekulativen Kunst beschrieben. Ihn, der obendrein nur den Entwurf geschenkt hat (die drei Millionen Herstellungskosten tragen Mäzene) und der noch nie zu einer Documenta oder der Biennale von Venedig eingeladen wurde, nun mit seinem ersten Mahnmal zu adeln, ist höchst fragwürdig und rechtfertigt die Peti- tion gegen die Aufstellung. Da braucht man gar nicht mit Geschmacksfragen gegen den mit bunten Lollies verglichenen „Gratis“-Tulpenstrauß argumentieren.
Während die Aufregung um das Pariser Monument hohe Wellen schlägt, gleicht die Reaktion auf das Verschwinden eines Mahnmals in Wien hingegen eher einer ruhigen See. Lawrence Weiners Schriftzug „Zerschmettert in Stücke (im Frieden der Nacht) / Smashed to pieces (in the still of the night)“auf dem Flakturm im Esterházypark wird, der Falter be- richtete, bald Geschichte sein. 1991 wurde die weithin sichtbare Arbeit des US-Amerikaners, die kriegerische Funktion der Flaktürme vergegenwärtigend, installiert. Man kaufte damals nicht das Werk, sondern die Nutzungsrechte. Es durfte aber bleiben „as long as it lasts“. Denn an den Ort gebunden sind die Zeilen bei diesem Konzeptkunstwerk zwar nicht, sie gehören aber nach mehr als 25 Jahren in gewisser Weise zum Stadtbild, sie stiften Identität im Bezirk.
Fast ebenso alt wie das Kunstwerk sind die Diskussionen um dieses: Mehrmals gerieten Bauvorhaben in Konflikt mit Weiners Arbeit. 2009 wollte man dem Turm ein Aquarium und ein zweistöckiges Restaurant, sowie ein Dach in Form eines Mantas aufsetzen. Auch aufgrund von Stadtbildfragen lenkte man ein und redimensionierte. Eine Überdachung hätte es über kurz oder lang ohnehin benötigt: Wegen eines Kriegstreffers drang das Wasser mehrere Stockwerke tief ein, erklärt der ehemalige Wiener Kunstreferatsleiter Berthold Ecker, der stets um den Erhalt des WeinerWerks bemüht war. 2015, als man das Gebäude um einen symbolischen Euro an das Haus des Meeres verkaufte, ließ man einen Passus einfügen, nachdem „die Würde des Kunstwerkes“in jedem Fall gewahrt werden muss.
Desaster der Verschandelung
Der Künstler selbst sah diese bereits länger – durch Leuchtschrift, Dachlokal und eingesetztes Fenster – angetastet. Als 2017 die Pläne für einen durch den Schriftzug führenden Außenlift aufgewärmt wurden, schrieb Weiner, er hätte keine Wahl als nach dem „entsetzlichen Desaster der Verschandelung“die Arbeit zurückzuziehen.
Die jüngst präsentierten, massiven Ausbaupläne des Haus des Meeres brauchten also keinerlei Rücksicht mehr auf die in Publikationen weltweit veröffentlichte Arbeit zu nehmen. „Bevor sie es zerstörten, nannten sie es noch berühmt“, so Weiner mit resignierendem Zynismus vor wenigen Tagen in einer E-Mail an seinen Galeristen Hubert Winter. Dieser klingt versöhnlich: „Man soll nicht weinen, dass es vorbei ist. Schön, dass es da war.“